Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 20.08.2005

Die Geister, die ich rief ...

Ines. Eine Personalie in der Ermittlungseinheit sorgt für Wirbel und lässt die Frage zu: Wie ernst nimmt der Freistaat den Kampf gegen Korruption?
 
Staatsanwalt Andreas Ball gilt als tüchtig und ist nicht gleich einzuschüchtern. Heute scheint zweifelhaft, dass er deshalb zur Antikorruptionseinheit Ines kam. Am 24. Mai stand der gebürtige Sachse mit einem Durchsuchungsbeschluss vor der Tür von Ex-Wirtschaftsminister Kajo Schommer, um einem Verdacht nachzugehen, der öffentlich nicht bekannt war. Der CDU-Politiker soll einen Beratervertrag mit dem „Grünen Punkt“ gehabt und 600 0000 Euro kassiert haben, ohne adäquate Gegenleistungen.

Schommer bestreitet das, und es ist nicht mal klar, ob die Razzia die Vorwürfe erhärtet hat. Klar ist nur: Andreas Ball wird den Fall nicht beenden. Vor wenigen Tagen wurde er von Ines abgezogen und bearbeitet nun Insolvenzdelikte als Leiter des Dezernates 103 der Dresdner Staatsanwaltschaft.

Folgenschweres Signal

Die Personalie sorgt für Wirbel. Denn Balls Rechtsanwalt Ulf Israel sagt, sein Mandant habe dem Wechsel „nicht zugestimmt“. Beobachter vermuten politische Interessen der Staatsregierung hinter der Entscheidung und orakeln über das Ende der Korruptionsbekämpfung. Schließlich hatte Ball auch in der so genannten QMF-Affäre ermittelt, in der vor Tagen ein Ex-Staatssekretär und zwei Abteilungsleiter des Wirtschaftsministeriums wegen des Verdachts der Untreue angeklagt wurden, ein in Sachsen bisher einmaliger Vorgang. „Die Geister, die ich rief ...“, so ein ranghoher Polizeibeamter, wäre man nun wohl am liebsten wieder los.

Die Dresdner Staatsanwaltschaft wehrte sich gestern gegen solche Vorwürfe. „In eigener Verantwortung“ und „unbeeinflusst“ habe er die Entscheidung getroffen, ließ der leitende Oberstaatsanwalt Henning Drecoll übermitteln. Aus Fürsorge sei Ball abgezogen worden. Denn die Chemnitzer Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Ball wegen des Verdachts, er könnte ein Dienstgeheimnis verraten haben. Ein Fotoreporter hatte Wind von der Razzia bekommen und schoss seine Bilder, als Schommer die Tür öffnete. Die Fotos sorgten für Protest. Von „politischer Hexenjagd“ sprach CDU-Chef Fritz Hähle. Der Justizminister kündigte wenig später eine „Feinabstimmung“ bei Ines an.

Die könnte mit der Personalie Ball eingeleitet worden sein. Denn die sachlichen Gründe der Entscheidung werden auch von Juristen angezweifelt. Eine Ermittlungseinheit wie Ines sei „permanent gefährdet“, da Korruptionsermittlungen fast immer den politischen Raum tangieren, sagt Rüdiger Söhnen, Sprecher der Neuen Richtervereinigung (NRV) Sachsen. Deshalb müssten für solche Ermittler „Schutzräume vor Anfeindungen“ geschaffen werden. Wenn man den Kollegen für unschuldig halte, gehöre es zur Fürsorge, ihn an dem Fall Schommer zu lassen, sagt Söhnen, Richter am Oberlandesgericht. Bisher gibt es keinen Hinweis, dass Ball die Razzia verraten haben könnte, so sein Anwalt Ulf Israel.

Nach Ansicht der NRV sei Balls Abzug ein folgenschweres Signal und geeignet, Verunsicherung bei Ines zu schaffen. Bereits vor zwei Jahren hatte die NRV gefordert, die Unabhängigkeit der Justiz zu stärken und das Weisungsrecht des Ministeriums gegenüber den Staatsanwälten abzuschaffen. An eine Anweisung von oben im Fall Ball glaubt jedoch auch Rüdiger Söhnen nicht. „Das Interesse der CDU und des Ministers im Fall Schommer stand doch in der Zeitung.“
Von Thomas Schade

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