Sächsische Zeitung, 22.08.2005
Wenn die Maske fällt
Sächsisch geprägte Einblicke ins Innenleben der NPD.
„Das Zentrum der NPD liegt heute in Dresden", behauptet Toralf Staud in dem Buch „Moderne Nazis". Der „Zeit"-Autor sah sich um im sächsischen Landtag, wo die zwölfköpfige NPD-Fraktion sitzt. Die Schilder an deren Bürotüren seien ein „Who's who" der rechtsextremistischen Partei.
Nach Gesprächen mit Fraktionschef Apfel, Parteimanager Marx und anderen NPD-Abgeordneten kommt Staud zu dem Schluss, dass die Partei das Parlament vor allem als wirksames Propagandainstrument nutze. Dabei sei das „Hamsterrad" der Ausschussarbeit weniger interessant, hatte ihm NPD-Mann Jürgen Gansel verraten. Staud beschreibt, wie Apfel und Co. das Plenum umso mehr als Bühne nutzen, auch für den „kalkulierten Eklat". Dort falle auch die Maske, wenn gefordert werde, den Verfassungsschutz 'und Unterhaltszahlungen für Asylbewerber abzuschaffen oder Gelder für die jüdischen Gemeinden zu streichen.
Dresden ist nicht der einzige Handlungsort Staud besuchte Königstein, Pirna, Reinhardtsdorf und Wurzen und beschreibt, wie im größten NPD-Landesverband neue Wege gegangen werden, um die verfassungsfeindlichen Ziele der Partei zu erreichen. Zum Vergleich zieht Staud die hessische Gemeinde Ehringshausen heran, in der das NPD-Ehepaar Zutt seit Jahren im Gemeinderat sitzt und ein eher exotisches Dasein genießt.
In Sachsen sei durch NPD-Leute wie Uwe Leichsenring, Johannes Müller und andere eine kommunale Verankerung gelungen, die es in Hessen nicht gebe. Wie kaum anderswo verkörperten die rechten Führungsfiguren hier die neue NPD, die nach Stauds Ansicht unter Parteichef Udo Voigt aus der Bedeutungslosigkeit in den 80er Jahren heraus gefunden hat. Auch der Fehlstart im Osten nach 1990 sei korrigiert. Damals war ein Mann namens Peter Marx nach Leipzig gekommen und noch DDR-Staatsbürger geworden. Mit Leichsenring und Jürgen Schön gründete er die NPD in Sachsen. Heute sitzen alle drei in der zweiten Etage des Landtages.
Toralf Staud vermeidet es, die NPD vordergründig zu verteufeln. Er nimmt sie ernst, ohne sie zu überschätzen. Er versucht, die NPD zu durchleuchten und zu zeigen, dass sie sich von einer „konservativen” Altherren-Splittergruppe zu einer rechtsextremistischen Kraft mit „revolutionär-antikapitalistischem Programm" entwickelt, die aktuelle Themen ebenso für sich reklamiert wie die Jugendkultur.
von Thomas Schade