Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 31.08.2005

Frühzeitig voll informiert

Schnüffel-Attacke. Dass auch ein Journalist ausgespäht wird, war Justizminister Geert Mackenroth (CDU) seit Monaten bekannt.
 
Wir grätschen da nicht rein“, hatte Sachsens Justizminister Geert Mackenroth (CDU) am Montag noch das rigide Vorgehen gegen einen Staatsanwalt und einen Journalisten entschieden verteidigt. Mackenroth wusste eindeutig mehr und früher, war ebenso wie sein Haus über Monate bestens informiert. Aus SZ-Recherchen geht hervor, dass es ein sehr eng abgestimmtes Vorgehen der Behörden mit dem Ministerium gab. Man war sich einig – vor und während der Daten-Attacke auf den Reporter der Dresdner Morgenpost und den Staatsanwalt der sächsischen Antikorruptionseinheit Ines, Andreas Ball.

Juristisch heikel

Die Vorgehensweise war nicht nur brisant, sie war auch juristisch äußerst heikel. Dessen waren sich auch die Staatsanwälte, die das Verfahren führten, durchaus bewusst. Sogar die Generalstaatsanwaltschaft wollte die juristischen Probleme im eigenen Hause unter Kollegen zunächst erörtern, hieß es nach SZ-Informationen.

Das Justizministerium wollte sogar noch weiter bei der Telefondaten-Abfrage gehen als es etwa das Amtsgericht Chemnitz später erlaubte.

Nach SZ-Recherchen ergibt sich bisher folgender Ablauf:

23. Mai 2005

Der Generalstaatsanwalt unterrichtet den Justizminister sowie weitere Ministeriumsmitarbeiter telefonisch über die geplante Durchsuchung bei Ex-Wirtschaftsminister Kajo Schommer (CDU) am darauf folgenden Tag.

24. Mai

Durchsuchung bei Schommer – der Reporter der Dresdner Morgenpost, Ronny Klein, ist bereits vor Ort, als Ines-Staatsanwalt Andreas Ball eintrifft.Einen Tag später verfügt Ines-Chef Claus Bogner ein Ermittlungsverfahren wegen Verrats von Dienstgeheimnissen gegen Unbekannt.

27. Mai

Die Generalstaatsanwaltschaft unterrichtet das Justizministerium über mögliche Ermittlungsansätze zur Aufdeckung der „undichten Stelle“; Mackenroth wird zwei Tage später darüber informiert.

30. Mai

Die Generalstaatsanwaltschaft beauftragt die Staatsanwaltschaft Chemnitz, das Ermittlungsverfahren aus Dresden zu übernehmen.

2. Juni

Die Staatsanwaltschaft Chemnitz unterrichtet das Justizministerium in Dresden telefonisch von der Überlegung, in diesem Verfahren eine Telefondaten-Abfrage gemäß Paragraf 100 g der Strafprozessordnung durchzuführen.

6. Juni

Die Generalstaatsanwaltschaft schickt dem Ministerium die beabsichtigten Anträge und Beschluss-entwürfe für die geplanten Telefondaten-Abfragen des Journalisten sowie einer Vielzahl von Ines-Mitarbeitern und des Landeskriminalamtes.

7. Juni

Das Ministerium prüft intern, ob das geplante Vorgehen zulässig ist. Ergebnis: Es gibt keinen Anlass einzugreifen. Das heißt, das Ministerium hatte keine Einwände gegen die Daten-Abfrage von Dutzenden von Staatsanwälten und Polizeibeamten. Mackenroth wird einen Tag später darüber informiert.

20. Juni 2005

Das Amtsgericht Chemnitz lehnt zwar die von der Staatsanwaltschaft Chemnitz beabsichtigte Daten-Abfrage von 29 LKA- und 19 Ines-Mitarbeitern aus Rechtsgründen ab. Die Erfassung der Telefonkontakte von Ronny Klein wird dagegen genehmigt. Rückwirkend vom 15. April bis zum Tag der Durchsuchung bei Schommer sollten alle seine Telefonate über sein Handy sowie seine Dienstnummer mit Datum, Dauer und Uhrzeit erfasst werden; in der Ergebnisliste erscheinen sogar die Namen seiner Gesprächspartner.

6. Juli

Die Erfassung der Gespräche auf Kleins Dienstnummer wird für die Telekom zum Problem. Schwierigkeiten bereitet nach SZ-Informationen der „Knotenpunkt“, die zentrale Einwahlnummer in das Dresdner Druck- und Verlagshaus. Die Telekom teilt sinngemäß mit, sie könne Kleins Apparat nicht getrennt abfragen. Wenn die Staatsanwaltschaft es dennoch wolle, könne man nur alle Telefonate, die über die zentrale Einwahl eingehen, übermitteln. Das Justizministerium dazu gestern auf SZ-Anfrage: „Dieses Vorgehen war zu keinem Zeitpunkt beabsichtigt, es ist auch zu keinen hierauf gerichteten Maßnahmen gekommen. Ein solches Vorgehen wäre nach hiesiger Auffassung nicht gerechtfertigt. Eine Billigung wäre nicht in Frage gekommen.“

8. Juli

Nach Auswertung der Telefondaten von Klein wird ein weiteres Gespräch zwischen ihm und Staatsanwalt Ball nach der Durchsuchung bei Schommer bekannt. Darauf hin wird aus dem Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt ein Verfahren gegen Ball. Das teilt der Leitende Oberstaatsanwalt in Dresden dem Ministerium mit. Daraufhin beschließen die Ermittler, auch die privaten und dienstlichen Telefonnummern ihres Kollegen, Staatsanwalt Ball, zu „knacken“.

17. August

Nach Darstellung des Justizministeriums spricht Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) Minister Mackenroth bei einem Termin in der Staatskanzlei auf „mögliche öffentliche Reaktionen“ in der Angelegenheit an. Er habe Milbradt „zu keinem Zeitpunkt“ über das Ermittlungsverfahren gegen Staatsanwalt Ball in Kenntnis gesetzt oder mit ihm über Einzelheiten dieses Verfahrens gesprochen, sagte Mackenroth gestern auf SZ-Anfrage.
Von Annette Binninger und Karin Schlottmann

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