Karl Nolle, MdL

DNN/LVZ, 31.08.2005

Schnüffel-Attacke: Nachspiel im Landtag

 
Dresden. Der Text ist von seltener Klarheit. Es handle sich um einen "Eingriff in die Grundrechte der Beteiligten", heißt es in einem Antrag aus dem sächsischen Landtag. Zu klären sei die Frage, ob dieses Vorgehen vertretbar war. "Ermittlungsverfahren gegen einen Ines-Angehörigen" steht als Titel darüber und endet in der Forderung, die Regierung solle die Fragen klären - im Plenum.

Das klingt wie ein Antrag der Opposition, stammt aber aus anderer Feder: Die Chefs der beiden Koalitionsfraktionen, Fritz Hähle (CDU) und Cornelius Weiss (SPD), haben das Papier formuliert - obwohl Justizminister Geert Mackenroth (CDU) im Zentrum steht.

Das hat viel mit der Empörung der letzten Tage zu tun. Grund für den Antrag ist die Schnüffel-Attacke der Staatsanwaltschaft Chemnitz rund um die Antikorruptions-Einheit Ines. Nachdem bekannt geworden war, dass die Justizbehörde Telefonkontakte nicht nur eines Ines-Staatsanwalts, sondern auch eines Dresdner Journalisten abgefragt hatte, gab es heftige Kritik. Die Opposition sprach von einem "Angriff auf die Pressefreiheit", und auch Hähle und Weiss gehen darauf ein. "Die Pressefreiheit", sagte Weiss gestern dieser Zeitung, "ist eine wichtige Säule der Demokratie, die darf man nicht absägen."

Damit erhält die Spitzel-Affäre in Sachsen eine neue Dimension. Nachdem Mackenroth bereits am Montag von der Linkspartei mehr oder weniger direkt dazu aufgefordert worden war, im Landtag Stellung zu nehmen, gehen die Koalitionsfraktionen nun in die Offensive. Dazu kommen kritische Töne aus der CDU-Fraktion. Der Minister neige zu "apolitischem Handeln", heißt es, habe die Folgen der Aktion nicht bedacht. Und immer wieder fällt das Stichwort von der "Unverhältnismäßigkeit der Mittel".

Dabei ist die politische Gemengelage für Mackenroth seit langem heikel. Letztlich geht es bei der Affäre um das Wirken der Sondereinheit selbst. Ines war von Mackenroth-Vorgänger Thomas de Maizière (CDU) Anfang 2004 ins Leben gerufen worden, mitten in der heißen Phase der Leipziger Olympia-Querelen, auf Initiative von Mackenroth, mit Unterstützung von Regierungschef Georg Milbradt (CDU). Informelles Ziel: Die Verwerfungen des "Leipziger Modells", wo jeder jeden kennt, sollten aufgeklärt werden - und nebenbei sollte auch SPD-OBM Wolfgang Tiefensee ein wenig vorgeführt werden.

In der CDU sorgte das nicht nur für Begeisterung. Grund waren Befürchtungen, die Einheit gehe zu Lasten der CDU als langjähriger Regierungspartei. "Wir haben den Geist aus der Flasche gelassen", meint ein Ex-CDU-Minister, "jetzt lässt er sich nicht mehr einfangen." Als dann auch noch eine Ines-Razzia bei Ex-Wirtschaftsminister Kajo Schommer (CDU) an den Journalisten "durchgestochen" wurde, war für viele in der CDU die Grenze erreicht. Entsprechend groß war der Druck auf die Einheit. Mackenroth hat zwar jede politische Einflussnahme beim Vorgehen gegen Ines-Mitarbeiter dementiert, aus dem Schneider aber ist er nicht. Spätestens bei seiner Erklärung im Landtag dürfte das Kopfschütteln wegen des Angriffs auf die Pressefreiheit erneut einsetzen.
Jürgen Kochinke

Karl Nolle im Webseitentest
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