Sächsische Zeitung, 08.09.2005
Mit der Brechstange
Schnüffel-Attacke. Im Landtag wird weiter die Rechtmäßigkeit des Vorgehens der Justiz bezweifelt.
Viel Lärm um nichts“ sei das alles gewesen, benutzte der rechtspolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Marko Schiemann, gestern den Titel eines Shakespeare-Werkes zur Reinwaschung der Regierung in der Schnüffel-Affäre. Dass dieses Nichts seit Wochen Schlagzeilen macht, übersah wohl nicht nur er. Denn während Justizminister Geert Mackenroth (CDU) weiter die Schnüffel-Attacke auf einen Journalisten als rechtmäßig verteidigt, bröckelt hinter ihm die Rückendeckung der Koalition aus CDU und SPD.
Zuflucht suchte die CDU zunächst in der Attacke auf die PDS, auf deren Initiative die Sondersitzung einberufen wurde. Der stehe es nicht zu, sich zur „Hüterin der Pressefreiheit“ zu machen. Das fand auch die FDP: Die Linkspartei bedauere offenbar, dass sie „nicht mehr an der richtigen Seite der Leitung sitze“, sagte Jürgen Martens – auf frühere Stasi-Methoden anspielend. Dennoch kritisierte der Liberale, die Justiz dürfe nicht „mit der Brechstange auf ein hohes Gut wie die Pressefreiheit losgehen“. Die Aktion sei unverhältnismäßig. Und der Grüne Johannes Lichdi ergänzte: Die Staatsanwaltschaft habe „mit der Keule im Nebel herumgefuchtelt und gehofft, zufällig den Richtigen zu treffen“. Der Politik seien die Fahnder „zu emanzipiert“ gewesen, vermutete Klaus Bartl (PDS). „Da begannen die Väter von Ines, durch die Zähne zu pfeifen und die Zuchtpeitsche zu schwingen“, bebilderte er seine These, es gebe politischen Druck auf Ines. Die Schnüffel-Attacke sei „quasi auf Durchgriff geschaltet“ worden.
Doch auch innerhalb der CDU fällt die Bewertung unterschiedlich aus. Die Pressefreiheit sei nur „tangiert“ worden, so Mackenroth. Es habe sich „zweifellos“ um einen „Eingriff in die Pressefreiheit“ gehandelt, konterte Günther Schneider (CDU). SPD-Fraktionschef Cornelius Weiss brachte es auf den Punkt: Ja, es habe der Staatsanwaltschaft „an der gebotenen Sensibilität im Umgang mit der verfassungsrechtlich geschützten Pressefreiheit“ gefehlt. „Hätte die Staatsanwaltschaft den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beherzigt, wäre die Freiheit der Journalisten hinreichend geschützt gewesen“, so Weiss. Es sei Aufgabe der Gerichte, diese Fragen endgültig zu klären.
Doch SPD-Einzelkämpfer
Karl Nolle reicht das nicht. Bisher habe das „Copyright für Regierungsskandale in Sachsen ausschließlich bei der CDU gelegen“, sagte er nach der Sitzung bitter. Nun sei die SPD zu „Miteigentümern eines Skandals geworden, bei dem es sich um einen der schwersten Verstöße gegen die Pressefreiheit und das Gebot der Verhältnismäßigkeit exekutiven Handelns handelt“. Das stinkt Nolle gewaltig: „Jeder nimmt eben das Parfüm seiner Umgebung an, dagegen kann man sich kaum wehren.“
Von Annette Binninger