Freie Presse Chemnitz, 08.09.2005
Gefahr des Vertrauensverlustes in Ermittler
Interview mit dem Antikorruptionsexperten Peter von Blomberg: Kronzeugenregelung wäre wirksames Hilfsmittel .
Ein Staatsanwalt der Antikorruptionseinheit „Ines" steht im Verdacht, einem Journalisten Dienstgeheimnisse über ein Ermittlungsverfahren gegen den früheren Wirtschaftsminister Kajo Schommer (CDU) verraten zu haben. Dies führte u. a. zur Erfassung der Telefondaten von Ermittler und Journalist. Im Gespräch mit Peter von Blomberg, Vizechef der Antikorruptionsorganisation Transparency International in Deutschland, wollte Udo Lindner wissen, ob dieses Vorgehen negative Auswirkungen auf die Korruptionsbekämpfung im Freistaat haben kann.
Freie Presse: Wenn Korruptionsfahnder wegen dienstlicher Belange selbst ins Visier von Ermittlern geraden, geht dann nicht das Vertrauen in sie verloren?
Peter von Blomberg: Es besteht zumindest die Gefahr, dass in der Öffentlichkeit der Eindruck entsteht, dass bei der Staatsanwaltschaft vertrauliche Hinweise nicht in jedem Fall auch vertraulich bleiben. Das wiederum kann dazu führen, dass die Ermittler künftig kaum noch vertrauliche Tipps bekommen. Diese allerdings sind gerade in der Korruptionsbekämpfung sehr wichtig.
Freie Presse: Weshalb sind vertrauliche Informationen in diesem Bereich so wichtig?
von Blomberg: Weil wir es bei Korruption nur mit Tätern zu tun haben und die Geschädigten zur Aufklärung nicht beitragen können, weil sie ahnungslos sind. Menschen, die selbst in korruptes Handeln verstrickt sind, dies aber beenden und weiteren Schaden verhindern wollen, werden sich nur öffnen, wenn sie dadurch keine Nachteile befürchten müssen. Deshalb
brauchen wir zur effektiveren Bekämpfung von Korruption auch einen aktiven Hinweisgeber-Schutz. Und es braucht ein Vertrauen des Informanten darauf, dass seine Anonymität, solange er dies wünscht, nicht aufgehoben wird.
Freie Presse: Oft gibt es Kritik, dass gerade bei Wirtschaftsstrafsachen die Ermittlungen ewig andauern und am Ende oft wenig Greifbares für eine Verurteilung zusammengetragen werden kann. Wie muss Ihrer Meinung nach die Korruptionsbekämpfung organisiert werden?
von Blomberg: Der Ansatz, den man in Sachsen mit der Bündelung von Wissen und Methoden in der Antikorruptionseinheit verfolgt, ist richtig. Das reicht aber nicht aus. Wirksam wäre eine Wiedereinführung der vor einigen Jahren abgeschafften Kronzeugenregelung. Dies würde in zweierlei Hinsicht wirken. Zum einen würde es den Ermittlern leichter gemacht, den Tätern auf die Spur zu kommen, zum anderen diente es auch der Prävention. Denn wenn die Gefahr der Entdeckung größer wird nimmt die Bereitschaft ab, sich auf solche kriminellen Handlungen einzulassen. Bisher ist die Gefahr, entdeckt zu werden, eher gering.