Karl Nolle, MdL

DNN/LVZ, 11.10.2005

CDU denkt über Posten nach, SPD ist skeptisch

 
Dresden. Als gestern Mittag die ersten Nachrichten über die Bildung einer Großen Koalition in Berlin durchsickerten, atmeten die Spitzen in der sächsischen CDU auf: Es sei "eine gute Entscheidung für Deutschland, dass Angela Merkel Bundeskanzlerin wird", sagte Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) dieser Zeitung.

In den Koalitionsverhandlungen müsse es nun klare Vereinbarungen geben, damit Reformen möglich seien.

Ähnlich freute sich CDU-Generalsekretär Michael Kretschmer. Es sei gut, dass der "Weg für eine Regierungsbildung endlich frei sei und Kanzler Gerhard Schröder den Wahlsieg der Union anerkannt" habe, so Kretschmer. Wie in Sachsen sei die große Koalition zwar "keine Liebesheirat", sie sei dennoch "zum Erfolg verdammt". Bei den Inhalten dürfe es trotz der zu erwartenden schwierigen Verhandlungen "keine billigen Kompromisse" geben. Sachsen wolle seine Ideen, Konzepte und auch sein Personal einbringen. In Betracht komme für die Christdemokraten aus dem Freistaat, die die größte ostdeutsche Landesgruppe im Bundestag stellen, neben einem Ministerposten auch ein Staatssekretärsamt oder ein Platz in der Fraktionsspitze.

Während in der Union über Regierungsposten nachgedacht wird, herrscht bei Sachsens Sozialdemokraten Skepsis. "Die Begeisterung über Frau Merkel hält sich in Grenzen", sagte Sachsens SPD-Chef Thomas Jurk dieser Zeitung. Entscheidend sei jetzt, dass die Interessen des Ostens gut vertreten würden, betonte der Wirtschaftsminister. Dazu müsse ein ostdeutscher Ministerpräsident wie Brandenburgs Regierungschef Matthias Platzeck (SPD) an den Koalitionsverhandlungen beteiligt sein. Die Zustimmung der Parteibasis zur Bildung einer großen Koalation stehe für ihn nach wie vor unter Vorbehalt, so Jurk. So müssten die Pendlerpauschale, die Schichtzuschläge die Investitionszulage Ost beibehalten sowie die Ost-West-Angleichung beim Arbeitslosengeld II erreicht werden. Der Aufbau Ost müsse sich, auch im neuen Bundeskabinett widerspiegeln, forderte zudem der Leipziger SPD-Bundestagsabgeordnete Gunter Weißgerber.

Kritik kam aus den Reihen der Opposition. FDP-Landeschef Holger Zastrow fand es "bemerkenswert", dass sich CDU und SPD am schnellsten über Posten und Mehrbelastungen für die Bürger einigen. "Potenzielle Regierungspartner, die ihre Energie zuerst auf das Verteilen von Posten konzentrieren, werden kaum den notwendigen Rückhalt in der Bevölkerung bekommen", sagte Zastrow. Dagegen fehle jede Strategie füreinen Neuanfang. Es sei zu befürchten, dass inBerlin das Gleiche passiere wie in Sachsen: "Eine mutlose Stillstandspolitik auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner."

Grünen-Fraktionschefin Antje Hermenau kritisierte die Aufblähung der Regierung. Es seien mehr Ministerposten geplant als noch unter Rot-Grün. "Alle wollen Ressorts, mit denen man sich beliebt machen kann." Hermenau warnte zugleich davor, dass die große Koalition mit einer Zweidrittelmehrheit im Parlament die Verfassung ändern und beispielsweise das Mehrheitswahlrecht einführen könne. Dies ginge auf Kosten der kleineren Parteien. Hermenau: "Die Volksparteien versuchen sich zu regenerieren."

Sorgen um den Osten macht sich die Linkspartei. Er fürchte, so Landesgeschäftsführer Rico Gebhardt, dass die Interessen des Ostens auch mit einer Kanzlerin aus dem Osten nicht besser vertreten werden als bisher. Sachsens DGB-Chef Hanjo Lucassen trieb zudem die Sorge um, dass ein Wirtschaftsminister Edmund Stoiber (CSU) nicht die nötige Sensibilität für den weiteren Aufbau Ost mitbringe.
Sven Heitkamp

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