Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 18.11.2005

Infineons neue Logik

Chips. Der Konzern wird zerschlagen. Die IG Metall sieht Nachteile, spricht vom „Diktat der Börse“.
 
München/Dresden. Es kommt wie erwartet und von der Industriegewerkschaft Metall befürchtet: Europas größter Chipkonzern Infineon wird zerschlagen. Gestern beschloss der Aufsichtsrat die seit Monaten diskutierte Aufspaltung in zwei eigenständige Unternehmen. Danach wird das krisenanfällige Kerngeschäft mit Speicherchips zum 1. Juli 2006 ausgegliedert und später an die Börse gebracht. Der kleinere Teil des Konzerns konzentriert sich nach den Plänen von Vorstandschef Wolfgang Ziebart auf die lukrative Sparte mit Halbleitern für Autos und Industrieanlagen.

Die Spaltung des Unternehmens geht mitten durch den Standort Dresden mit insgesamt 5 500 Infineon-Mitarbeitern – einschließlich Leiharbeiter. Danach geht die 300-Millimeter-Linie des Speicherbereichs mit dem neuen Unternehmen an die Börse, während die ältere 200-Millimeter-Logik-Sparte nicht betroffen ist. Die Dresdner Infineon-Sprecherin Diana Rulle will sich nicht äußern. Vom gemutmaßten Verkauf an die taiwanesische Nanya-Gruppe, mit der Infineon seit Jahren Technologieaustausch betreibt, war gestern keine Rede mehr. Ganz ausschließen mochten Aufsichtsratskreise dieses Szenario im Gespräch mit der SZ auch weiter nicht. Fest stehe außer München als Firmensitz der neuen Gesellschaft und Kin Wah Loh als altem und neuen Chef nur: „Das Unternehmen wird nicht in den Arbeitgeberverband eintreten und so nicht der Tarifbindung unterliegen“, sagte ein Sitzungsteilnehmer, der nicht genannt werden wollte. Zudem soll Dresden Technologie-Entwicklungszentrum bleiben.

Mit der Speicherchipsparte trennt sich der Halbleiterriese von etwa 40 Prozent seines Gesamtumsatzes von rund sieben Milliarden Euro. Deren Geschäft gilt als risikoreich und schwankungsanfällig. Durch die Aufspaltung will der gebeutelte und zuletzt verlustreiche Infineon-Konzern in ruhigeres Fahrwasser kommen.

Analysten erwarten Verluste

Die IG Metall kritisiert die Entscheidung. Sie wirft Infineon vor, sich dem „Diktat der Börse“ zu unterwerfen. „Technologisch ist das nicht sinnvoll“, sagt Wigand Cramer, Betreuer des Gesamtbetriebsrats. Der Synergieeffekt, auf den Infineon immer wieder verwiesen habe, sei dahin. Das Knowhow der Speichersparte werde künftig im Logikbereich fehlen. Auch für die Mitarbeiter befürchtet die Gewerkschaft Nachteile. „Beschäftigungspolitisch ist das für beide Bereiche eine große Bedrohung.“ Die Werke könnten künftig nicht mehr Speicher- und Logikchips produzieren, was die Auslastung verschlechtere.

Gleichwohl erklärt Infineon, dass sich für die Beschäftigten nichts ändere. Zudem wehrt sich der Konzern gegen den Begriff „Zerschlagung“. Beide Einheiten hätten gute Zukunftsperspektiven, heißt es in München. „Beabsichtigt ist, die Erlöse aus einem möglichen Börsengang des Speicherbereichs in den gezielten Ausbau des Logikgeschäfts zu investieren.“ Analysten schätzen dessen Wert auf drei Milliarden Euro. Konzern-Chef Wolfgang Ziebart betont, auch der Speicherbereich gewinne durch die neue Selbstständigkeit an Handlungsspielraum. Es entstehe ein Speicher-Konzern von Weltrang.

Die Aufspaltung ist die zweite in der Firmengeschichte. Infineon war 1999 vom Siemens-Konzern abgetrennt worden und im März 2000 an die Börse gegangen. Heute stellt Infineon seine Bilanz für das Ende September abgelaufene Geschäftsjahr vor. Analysten rechnen erneut mit Verlusten. (mit AP)
Von Michael Rothe

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