Karl Nolle, MdL

DNN/LVZ, 24.12.2005

Da waren's nur noch neun

 
Dresden. Kaum hatte sich die NPD-Fraktion im sächsischen Landtag vom Doppelschlag der vergangenen Tage auch nur ansatzweise erholt, kam pünktlich in den Nachtstunden zu gestern die nächste Hiobsbotschaft für die Rechtsextremen im Freistaat. Auch der Leipziger NPD-Abgeordnete Jürgen Schön, immerhin Landesvize, schmeißt hin, tritt aus Partei und Fraktion gleichermaßen aus.

Und wie schon bei Mirko Schmidt und Klaus Baier, den beiden Abtrünnigen in den Tagen zuvor, war das Szenario ähnlich: Erst garnierte Schön seinen Schritt mit derben Angriffen auf die NPD-Spitze um Fraktionschef Holger Apfel, dann schoss der so Attackierte zurück - "absurd" und "wahrheitswidrig" waren noch die zarteren Umschreibungen.

Dabei hatten es die Worte von Schön allemal in sich. Apfel und der NPD-Abgeordnete Jürgen Gansel seien Vertreter eines "Hitlerismus", sagte er dieser Zeitung, "so eine Partei müsste verboten werden". Generell sei er unzufrieden mit der NPD-Führung. Er selbst lehne "die rote Diktatur genauso ab wie die braune", letzteres aber betrieben die neuen Führungskader um Apfel. "Die wollen einen anderen Weg", sagte Schön, dabei komme "das Soziale" zu kurz. Nach Angaben von Schön werde es "mit der NPD in Sachsen keine gute Entwicklung nehmen". Die Spitze würde "hinter den Kulissen mauscheln", die verankerten NPD-Mitglieder im Freistaat seien an den Rand gedrängt wor-den. Er selbst verstehe sich eher "als Deutschnationaler", mit der "NS-Ideologie" kön-ne er sich nicht identifizieren.

Und weil Schön schon mal in Fahrt war, fügte er auch gleich eine Polit-Pointe von Bedeutung mit an. "Ich würde gern in die CDU eintreten", machte er der Union ein eindeutiges Angebot. "Wenn die mich nehmen, würde mich das freuen." Schließlich sei die Union "eine seriöse Partei". CDU-Generalsekretär Michael Kretschmer erteilte dieser Avance des frisch ausgetretenen NPD-Manns umgehend eine Absage. "Bei Leuten, die viele Jahre lang NPD-Positionen vertreten haben, stellt sich die Frage einer Aufnahme in eine demokratische Partei nicht."

Für Aufsehen sorgte das Angebot dennoch. Denn sollte auch nur einer der drei ehemaligen NPD-Mitglieder zur CDU wechseln, gäbe es eine rechnerische Mehrheit für Schwarz-Gelb in Sachsen - und das mögliche Ende der CDU/SPD-Koalition. Und selbst wenn Regierungschef Georg Milbradt (CDU) am Bündnis mit der SPD festhält, reicht die Tatsache allemal als Drohgebärde Richtung Sozialdemokraten. Dazu passt die Gerüchtelage gestern in Dresden. Längst hätten mehrere CDU-Landtagsabgeordnete Kontakt zu NPD-Leuten aufgenommen, hieß es in CDU-Kreisen, darunter Schön und NPD-Landeschef Winfried Petzold.

Petzold wies dies gestern zurück. "Natürlich gab's Differenzen" in der NPD, sagte er dieser Zeitung, erkennbar sei auch der "Imageverlust" durch die Austritte für die NPD. Er aber werde dem Beispiel von Schmidt, Baier und Schön nicht folgen. Schließlich sei das "ein klarer Verrat".

Im Gegensatz zu Schmidt und Baier hat Schön nicht das Aussteigerprogramm des Verfassungsschutzes genutzt. Darüber hinaus wurde gestern bekannt, dass die Abtrünnigen ursprünglich eine eigene Partei jenseits der NPD gründen wollten. Dieser Plan aber scheint vorerst in Schubladen verschwunden zu sein. Entsprechend firmieren Schön, Baier und Schmidt derzeit als partei- und fraktionslose Abgeordnete im Landtag. Der Fraktionsstatus gilt erst ab sechs Mitgliedern im Parlament.
Jürgen Kochinke

Karl Nolle im Webseitentest
der Landtagsabgeordneten: