Karl Nolle, MdL

DIE WELT, 31.12.2005

"Faul, dumm, Verräterschwein - das sind so die Vorwürfe"

Ein NPD-Abgeordneter erklärt, warum er austritt
 
Berlin - Klaus Baier gehört zu jenen drei sächsischen NPD-Landtagsabgeordneten, die in den vergangenen Tagen ihren Austritt aus der rechtsextremen Partei und deren Fraktion erklärt haben. Der 45jährige Rettungsassistent aus Annaberg-Buchholz denkt nun an die Gründung einer neuen Partei.

DIE WELT: Herr Baier, fühlen Sie sich als Verräter, wie das die NPD jetzt sagt?

Klaus Baier: Wen soll ich denn verraten haben? Die Sache? Die Wähler? Oder mich an den Verfassungsschutz? Das alles ist vollkommener Quatsch. Ich denke, ich habe im Sinne meiner Wähler gehandelt. Das zeigen mir auch die Reaktionen hier. Die sind überwiegend positiv. Die NPD hatte hier Anfang Dezember 28 Mitglieder. Ich weiß inzwischen von mindestens zehn Austritten.

DIE WELT: Was hat Sie zum Austritt bewogen?

Baier: Die ganze Richtung, in die sich die NPD seit ihrem Einzug in den Sächsischen Landtag im Herbst 2004 entwickelt hat. Wir wurden gewählt, weil wir den Leuten versprochen haben, uns für ihre sozialen Interessen stark zu machen. Davon war dann kaum mehr die Rede. Den letzten Anstoß gab der Haß, mit dem die Fraktion auf die Austrittserklärung meines Kollegen Mirko Schmidt reagiert hat. Da ging es um regelrechte Strafmaßnahmen gegen den Abtrünnigen.

DIE WELT: Was muß man sich darunter vorstellen?

Baier: Ich war selbst nicht anwesend bei der Krisensitzung der Fraktion. Doch mir wurde glaubwürdig berichtet, daß es auch Überlegungen gab, Schmidt beim Kantinenbesuch Kaffee über den Anzug zu gießen oder ihn sich in der Toilette zu greifen.

DIE WELT: Verwundern Sie derartige Haßausbrüche?

Baier: Daß man mit Aussteigern - zumindest verbal - nicht zimperlich umgeht, ist ja allgemein bekannt. Derartig mit Dreck beworfen zu werden wie wir jetzt, das hätte ich aber nicht für möglich gehalten. Faul, dumm, Verräterschwein - das sind so die Vorwürfe.

DIE WELT: Warum waren Sie denn überhaupt in die NPD eingetreten?

Baier: Nach elf Jahren im Westen bin ich 1994 nach Annaberg zurückgekommen. Meine Eltern konnten hier ihr enteignetes Haus zurückkaufen. In der Nebenstraße war der Treff der NPD. Ich hielt sie für eine Partei, die sich um die sozialen Nöte der Menschen kümmern will. Deshalb bin ich im Frühjahr 1998 Mitglied geworden.

DIE WELT: Die NPD verbreitet jetzt, sie steckten in finanziellen Problemen.

Baier: Das ist absoluter Blödsinn. Ich habe seit elf Jahren einen Krankenpflegedienst, verdiene als Abgeordneter einen Haufen Geld, meine Frau und ich beziehen Miete und besitzen auch noch eine Eigentumswohnung.

DIE WELT: Seit wann haben Sie Kontakt zum Verfassungsschutz?

Baier: Ich habe am Abend meines Austritts den Staatsschutz in Chemnitz um Unterstützung gebeten. Es gab keine Kooperation vorher, wie das jetzt behauptet wird.

DIE WELT: Rechnen Sie mit weiteren Austritten?

Baier: Es sind ganz gewiß nicht alle glücklich und zufrieden. Denn das Sagen haben ja hauptsächlich Leute, die nicht aus Sachsen kommen. Der Umgang mit uns soll sicher auch abschrecken.

DIE WELT: Stimmt es, daß Sie nun eine Sächsische Volkspartei gründen wollen?

Baier: Es gibt Überlegungen, aber noch nichts Konkretes. Sicher, Sachen wie die soziale Frage oder Heimatliebe wären schon Themen, die es sich anzupacken lohnte. Die derzeit existierenden Parteien sind für mich uninteressant.

DIE WELT: Welche Auswirkungen haben die Austritte auf die sächsische NPD?

Baier: Die Kreisverbände Görlitz, Meißen, Löbau-Zittau und Annaberg wurden inzwischen vom NPD-Parteivorstand unter Zwangsverwaltung gestellt, obwohl es hier ordnungsgemäß gewählte Vorstände gibt.

DIE WELT: Wie wichtig ist die sächsische Landtagsfraktion für das Vorhaben der NPD, im kommenden Jahr auch in die Landtage von Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern einzuziehen?

Baier: Sie ist ganz eindeutig das strategische Zentrum. Wohl auch deshalb war die Reaktion auf unseren Ausritt so heftig.

DIE WELT: Für Empörung sorgten die NPD-Abgeordneten vor allem mit der Verweigerung, die Opfer des Nationalsozialismus mit einer Schweigeminute zu ehren. Wie stehen Sie heute dazu?

Baier: Ehrlich gesagt, ich wußte in dem Moment nicht, warum wir den Plenarsaal verlassen haben. Fraktionschef Apfel hatte gesagt, wir gehen mal raus. Auch andere dachten wohl, beabsichtigt sei eine kurze Beratung. Noch einmal machen würde ich das nicht.

DIE WELT: Behalten Sie ihr Landtagsmandat?

Baier: Ja. Ich hatte in Annaberg 16 Prozent der Wählerstimmen. Als Parteiloser werde ich auch Mitglied im Stadtrat bleiben.

Die Fragen stellte Frank Käßner

Karl Nolle im Webseitentest
der Landtagsabgeordneten: