Karl Nolle, MdL

DNN, 22.03.2006

"Ich kann mich nicht ständig verbiegen..."

Interview mit SPD-Stadtrat Albrecht Leonhardt
 
Frage: Herr Leonhardt, seit gestern ist es offiziell. Sie haben ihren Austritt aus der SPD-Fraktion im Dresdner Stadtrat bekannt gegeben. Wie schwer fiel Ihnen dieser Schritt?

Albrecht Leonhardt: Es ist mir wirklich nicht leicht gefallen. Immerhin gehörte ich der Fraktion 16 Jahre an, war neun Jahre ihr Vorsitzender. Aber jetzt gab es für mich keine Alternative zum Austritt.

War der Streit um den Verkauf der Woba, für den Sie als einziger SPDler gestimmt haben, Ursache oder nur Anlass für den Bruch mit der Fraktion?

Es war der Anlass. Und die Konsequenz aus einer Politik, die schon seit längerem in eine Richtung geht, in die ich nicht mit will. Ich kann mich nicht ständig verbiegen, nicht immer nur den Mund halten. Ich will Dresden voranbringen. Die SPD-Fraktion ist aber geradezu manisch oppositionell ausgerichtet.

Wie erklären Sie sich diese Entwicklung?

Ich erkläre mir das mit dem Drang nach politischer Profilierung, einem Drang, sich unbedingt von anderen unterscheiden zu müssen. Darüber hinaus gibt es in der Fraktion und der Partei einen starken Flügel, den ich "Nollerianer" nenne. Dieser orientiert sich an der Politik, wie sie Karl Nolle im Landtag macht. Das mag mitunter unterhaltsam sein, ist aber meiner Meinung nach äußerst destruktiv. Immer nur Wadenbeißer zu sein, das führt nicht zu besseren Wahlergebnissen.

Hätten Sie nicht in der Fraktion bleiben und dort um Veränderung kämpfen können?

Vor zehn Jahren hätte ich das vielleicht getan. Aber dazu braucht man viel Kraft. Einen solchen Kampf durchstehen, das kann und will ich einfach nicht mehr.

Die andere Möglichkeit wäre gewesen, Ihr Mandat niederzulegen und aus dem Stadtrat auszuscheiden. Sie aber wollen zur BürgerFraktion wechseln.

Ich bin von der SPD auch aufgefordert worden, das Mandat abzugeben. Aber ich fühle mich Dresden, meinen Wählern verpflichtet, nicht einer Partei oder einer Fraktionsdisziplin. Und ich möchte dabei sein, mitgestalten, wenn in den nächsten Jahren wichtige Entscheidungen getroffen werden, für die ich lange gefochten habe.

Zum Beispiel?

Zum Beispiel die Frage, wofür das Geld aus dem Woba-Verkauf eingesetzt wird. Dass wir schuldenfrei bleiben und trotzdem den Dresden-Pass über eine Stiftung in seinem Bestand sichern können, und dass Kitas und die Schulen schneller saniert werden. Dass wir Wege finden, die Operette zu erhalten und ein Stadion gebaut zu bekommen. Und ich hoffe, dass wir endlich das Philharmonie-Problem lösen werden.

Glauben Sie, in der BürgerFraktion ist es anders?

Die Mitglieder dieser Fraktion sind alle als Einzelpersönlichkeiten gewählt worden, unabhängig von Parteien. Sie treten nur für sich, für ihre Überzeugung ein, sie haben ein echtes freies Mandat. Das ist schon anders.

Glauben Sie, dass das ein Modell für Kommunalpolitik sein könnte, weg von Parteien, weg von Fraktionszwang, hin zu unabhängigen Bürgern?

Ja, das denke ich. Jetzt ist es doch so, dass wir uns im Dresdner Stadtrat oft aufführen wie im Bundestag, also immer mehr Parteipolitik machen.

Werden Sie nach der Fraktion auch die SPD verlassen?

Das habe ich noch nicht abschließend entschieden.

Wann und warum sind Sie eingetreten in die Partei?

Das war im Dezember 1989, weil damals die SPD von Männern wie Helmut Schmidt und Willy Brandt geprägt wurde.

Sehen Sie an der Spitze Ihrer Partei heute noch Köpfe solchen Formats?

Nein.

Interview: Heidrun Hannusch

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