Karl Nolle, MdL

DNN/LVZ, 04.07.2006

Lob und Kritik für die Neue im Amt

 
Dresden. Seit längerem schon gab es Spekulationen und parteiinterne Ränkespiele, gestern nun beendete SPD-Landeschef Thomas Jurk das bunte Treiben rund ums hohe Amt: Eva-Maria Stange (SPD), frühere Bundes- und Landeschefin der Bildungsgewerkschaft GEW, soll neue Ministerin für Wissenschaft und Kunst werden. Damit wird die 49-Jährige Nachfolgerin von Barbara Ludwig (SPD), die vor rund einer Woche zur neuen Oberbürgermeisterin in Chemnitz gewählt worden war. Ab August werde Stange die Amtsgeschäfte übernehmen, meinte Jurk.

Dabei war der SPD-Mann voll des Lobes für die Neue. Die Ex-GEW-Chefin sei "erste Wahl", so der Wirtschaftsminister, sie besitze hohe Kompetenz im Bildungsbereich. Als erste Ostdeutsche habe Stange eine Einzelgewerkschaft geführt und damit gezeigt, dass sie einen großen Apparat führen könne. Zudem sei sie "kampfkräftig" genug für die Auseinandersetzung in Sachsens CDU/SPD-Koalition.

In der SPD ist die Entscheidung von Jurk jedoch umstritten, und beim Koalitionspartner CDU ist sie es erst recht. Zwar hielt sich die Ministerriege von der Union gestern mit Statements zurück, hinter den Kulissen aber brodelt es: "Das ist eine Provokation", meinte ein CDU-Kabinettsmitglied, "jeder bestimmt den Zeitpunkt der Eskalation selbst". Öffentlich äußerte sich Robert Clemen (CDU). "Das wird schwierig", meinte der Vorsitzende des Wissenschaftsausschusses, die Personalie werde zur Belastungsprobe für die Koalition. Gegenwind erhielt Jurk auch aus eigenen Reihen. Frustrierte aus der SPD-Fraktion machten genauso Front gegen die Entscheidung wie teilentmachtete Richtungskämpfer aus Leipzig. Die SPD-Hochschulpolitikerin Simone Raatz zum Beispiel hätte sich selbst gern auf dem Posten gesehen, gestern sagte sie auf Anfrage, Jurk habe der Fraktion keinen Gefallen getan. Stange sei "jemand von außen", habe sich in der Diskussion um ein neues Hochschulgesetz bisher "nicht hervorgetan". Dadurch werde der Prozess nicht erleichtert. Auch Gunter Weißgerber goss Öl ins Feuer: "Stange vertritt Positionen der Linkspartei", meinte der Leipziger SPD-Bundestagsabgeordnete, "die Entscheidung ist ein Angebot an die frühere PDS". Dort aber sei "keine Mehrheit zu holen". Karl Nolle, SPD-Vorkämpfer früherer Tage, monierte den Umgang Jurks mit den anderen Kandidaten. Es habe keine "ehrlichen Gespräche" gegeben, "was ich für nicht hinnehmbar und im höchsten Maße unsolidarisch halte".

SPD-Vorstandssprecher Andreas Weigel lobte dagegen, dass Jurk Handlungsfähigkeit bewiesen habe. Auch Fraktionschef Cornelius Weiss, DGB-Chef Hanjo Lucassen und Juso-Chef Holger Mann begrüßten die Entscheidung - ebenso wie die Opposition. Für den Grünen Karl-Heinz Gerstenberg ist Stange "eine gute Entscheidung für Sachsens Hochschulen", für Linksfraktionschef Peter Porsch gar ein Grund zur "Freude". Dabei würzte er seine Entzückung mit einer Forderung: "Wir erwarten, dass die künftige Ministerin noch energischer der schwarzen Ministerialbürokratie die Stirn bietet."

Genau das ist die Sorge der CDU. Die Gewerkschafterin stehe keineswegs für die Modernisierung der Bildungslandschaft, lauten die Bedenken, vor allem Kultusminister Steffen Flath (CDU) schwane Übles. Hier konterte Jurk gestern schon mal vorsorglich. "Ich mische mich auch nicht in CDU-Personalien ein, selbst wenn ich manchmal Bauchschmerzen habe", meinte er. Darüber hinaus sei die Entscheidung ein positives Signal an die Unis - für Fortschritt, gegen Studiengebühren.

Stange hatte den GEW-Chefposten Anfang 2005 nach acht Jahren aufgegeben und war nach Sachsen zurückgekehrt. Die 49-jährige promovierte Lehrerin war schon zu DDR-Zeiten in Gewerkschaft und Partei engagiert. Die SED verließ sie 1988 nach acht Jahren, aus Unzufriedenheit darüber, "trotz Mitgliedschaft nichts bewegen zu können". 1993 bis 1997 war Stange GEW-Landeschefin und verhandelte den ersten Teilzeittarif für die Grundschullehrer. Derzeit arbeitet sie in der Lehrerbildung an der TU Dresden.
Sven Heitkampund Jürgen Kochinke

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