Karl Nolle, MdL

Agenturen dpa, 21:19 Uhr, 20.07.2006

Heißer Tag in Dresden: Stadtrat lenkt im Welterbe-Streit ein

 
Dresden (dpa/sn) - Im Streit um den wegen der geplanten Waldschlösschenbrücke bedrohten UNESCO-Welterbetitel für das Dresdner Elbtal hat der Stadtrat am Donnerstagabend eingelenkt. Nach knapp dreistündiger kontroverser Debatte zum Thema fand ein CDU-Antrag auf sofortigen Baubeginn der umstrittenen Elbquerung keine Mehrheit im Parlament. In geheimer Abstimmung votierten 38 Stadträte mit Nein und 30 mit Ja bei einer Enthaltung. Einer FDP-Resolution, mit der das UNESCO-Welterbe-Komitee zur umgehenden Revision seiner Entscheidung aufgefordert werden sollte, erteilte das Plenum mit 40 Gegenstimmen eine klare Absage.

Zum Auftakt der mit Spannung erwarteten Stadtratssitzung hatte die deutsche UNESCO-Welterbe-Delegierte Birgitta Ringbeck gemahnt, das Votum des Komitees ernst zu nehmen. Das internationale Gremium hatte vor gut einer Woche das Dresdner Elbtal auf die Rote Liste der gefährdeten Welterbestätten gesetzt. Zugleich wurden Bund, Land und Stadt aufgefordert, das Bauprojekt zu stoppen und nach alternativen Lösungen zu suchen. «Ein Bau der Brücke hätte zwingend eine Streichung von der Welterbeliste zur Folge», machte Ringbeck deutlich.

«Eine Brücke gleich welcher Form an dieser Stelle wird vom Komitee abgelehnt. Ich sehe keine Verhandlungsspielraum für eine oberirdische Elbquerung», sagte Ringbeck. Die Rote Liste sei die schärfste Sanktion der Welterbekonvention, in deren über 30-jähriger Geschichte es noch keine Streichung eines Welterbetitels gegeben habe. Die Stadträte würden deshalb mit ihrer Entscheidung große Verantwortung für Dresden, aber auch für Deutschland und darüber hinaus tragen. «Schreiben Sie mit Ihrer Entscheidung ein wichtiges Stück deutscher Kulturgeschichte», appellierte sie.

Der amtierende Oberbürgermeister Lutz Vogel (parteilos) hatte vor der durch zwei Anträge aus den Fraktionen angestoßenen Debatte zu Sachlichkeit und Ruhe in der seit Wochen hitzigen Diskussion gebeten. «Verzichten Sie auf Selbstdarstellung, Vorwahlkampf und Rechthaberei und akzeptieren Sie mit Anstand das Zustandekommen der Entscheidung», mahnte er.

Das Spektrum der anschließenden Aussprache reichte von Vorwürfen an die UNESCO, Beschwörungen der Macht des Volkswillens» und das Recht der Dresdner auf Selbstbestimmung über ein Beklagen des entstandenen Entscheidungs-Dilemmas Brücke oder Welterbe-Titel und Fragen nach einem Ausweg bis zum Nein ob der vorgesehenen Vergabe von Bauleistungen und der Benennung von möglichen Lösungsansätzen. Es war die Rede von Provinzialität, demokratischer Inkompetenz. Außerdem gab es Vernunftappelle.

«Wenn wir den Rang als erste Welterbestätte verlieren, dann ist das ein dauerhafter Makel für die Kultur- und Kunststadt Dresden und eine Kulturnation wie Deutschland», sagte Peter Lames von der SPD. Statt provinzielles «Wir ist Wir» zu verbreiten, müssten sich die Brückenbefürworter über die Tragweite ihrer Haltung im Klaren sein, sagte die Grünen-Abgeordnete Chistiane Filius-Jehne. «Ich denke, es ist nicht der Bürger Wille, durch kurzfristige Aktionen den Status zu verspielen und die erste Titel-Aberkennung zu erreichen.»

«Brückenbauer» FDP hatte sich bereits mit dem Titel «Welterbe der Herzen», gedruckt auf ein T-Shirt des Abgeordneten Jan Mücke, begnügt. «Die Dresdner haben die Brückenfrage abschließend entschieden», sagte er. Es dürfe nicht zugelassen werden, dass dieser Bürgerentscheid vom Februar 2005 mit Tricks gestohlen werde. «Auch wir bedauern den Schritt der UNESCO, wären aber keinesfalls eine Stätte von Barbaren, wenn wir den Titel verlieren», meinte er. «Dresden bleibt auch weiterhin Kunst- und Kulturstadt - mit oder ohne Titel.»

Die, die «auf die Kraft der Weisheit» vertrauten, wurden am Ende belohnt. Für die Erhaltung des Welterbes hatten sich vor dem Rathaus mehr als 200 Demonstranten versammelt. Mit dem mehrheitlichem Votum des Stadtparlaments wurde der Oberbürgermeister nicht nur zur Aussetzung der Vergabe der ersten Bauleistungen im Umfang von 60 Millionen Euro befugt, sondern auch zu Gesprächen mit der UNESCO zwecks Konsensfindung. Damit war die Befürchtung eines Abgeordneten, dass zum früheren «Tal der Ahnungslosen» die Titel «Tal der Sturköpfe» oder «Tal der Beratungsresistenten» kommt, vorerst vom Tisch.
Von Simona Block, dpa
dpa sb yysn kb
202119 Jul 06

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