Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 09.08.2006

Millionen verschenkt?

Immobilien. Beim Verkauf eines Rundfunkgeländes in Berlin hat auch Sachsen offenbar nicht genügend aufgepasst.
 
Es hätte ein Riesen-Geschäft werden können: Bis zu 30 Millionen Euro hätte das alte Gelände in der Berliner Nalepastraße laut Gutachten einbringen können, auf dem sich vor 1989 der Sitz des DDR-Rundfunks befand. Doch stattdessen hatten Berlin und die fünf neuen Bundesländer, denen auch diese 130 000 Quadratmeter große alte Rundfunkliegenschaft anteilig gehörte, es im November 2005 für 350 000 Euro an eine kleine Baufirma in Sachsen-Anhalt verscherbelt. Die wiederum vergoldete sich die Immobilie: Satte 3,9 Millionen Euro kassierte sie vor wenigen Tagen – für ein Teilstück.

Seitdem ist der Katzenjammer auch in Dresden groß, wenngleich stiller als in Berlin. Und der missglückte Verkauf beschäftigt inzwischen nicht nur Staatsanwälte, sondern demnächst auch den Sächsischen Landtag. Finanzminister Horst Metz (CDU) müsse den Haushaltsausschuss schnellstens „umfassend informieren“, forderte die PDS-Landtagsfraktion gestern erste Schritte zur Aufklärung. „Metz soll uns erklären, warum Sachsen nicht gegen diesen skandalösen Vertrag stimmte, sondern um jeden Preis verkaufen wollte“, empört sich PDS-Medienexperte Heiko Hilker über die „1 000 Prozent Spekulationsgewinn“, die letztlich eine Privatfirma einheimste – während das Land satte Millionen-Erlöse womöglich leichtfertig sausen ließ.

Freistaat hielt 30 Prozent

Eine Riesenchance für den Medienstandort sah der Berliner Senat in dem Areal. Doch letztlich machten ihm die übrigen Eigentümer – Sachsen, Thüringen, Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg – einen Strich durch die Zukunftsrechnung. Der jahrelange Ladenhüter wurde ihnen zum Klotz am Bein – vor allem Sachsen, dem größten Anteilseigner. Knapp 30 Prozent hielt Sachsen – gemäß seines Anteils an den Rundfunkgebühren der Länder – an dem Areal und trug damit auch die größte Last. Mit rund 60 000 Euro pro Monat musste Sachsen für die jährlichen Betriebs- und Bewirtschaftungskosten von 1,8 Millionen Euro aufkommen. Hinzu kamen in den letzten Jahren weitere Investitionen in die Liegenschaft, die laut Finanzministerium „nicht ohne Weiteres bezifferbar“ seien. Zudem habe Sachsen hohe Kosten für die Sanierung von Altlasten befürchtet.

Im vergangenen Jahr übertrugen die neuen Länder darum der erst ein Jahr zuvor gegründeten Landestochter Liegenschafts- und Immobilienmanagement Sachsen-Anhalt (Limsa) die Käufer-Suche. Die verkaufte mit Zustimmung aller Eigner das Areal für 350 000 Euro an eine Baufirma. Und die wiederum freute sich wenige Monate später über den zehnfachen Gewinn durch eine Auktion. Offenkundige Fehler des Limsa-Vertrags: Weder gab es eine Spekulationsfrist noch ein Mitspracherecht der Alteigentümer über die Zukunft des Areals.

Vorrangig sei gewesen, weitere Betriebskosten zu vermeiden, wehrte Sachsens Finanzministerium gestern eine Mitschuld ab. Sachsen habe bei Limsa mehrfach auf eine Auktion gedrängt, sagte Ministeriumssprecherin Monika Dunkel gegenüber der SZ. Dazu sei es aber „wegen Bedenken der Limsa“ nicht gekommen. Auf die Frage, ob Sachsen den Verkaufsvertrag selbst geprüft habe, hieß es ausweichend, man habe die Limsa mit dem Verkauf beauftragt. „Es wurde informiert“, so Dunkel. Beim Verfahren habe Sachsen nicht mitgewirkt, um „Doppelbelastungen von Personal zu vermeiden“.

Während die Kollegen in Sachsen-Anhalt bereits Anzeige wegen Betrugsverdachts gestellt und den Landesrechnungshof eingeschaltet haben, will man in Dresden nun erst die Untersuchungen abwarten. Unterdessen prüft Berlin eine mögliche Rückabwicklung des Vertrags.
Von Annette Binninger

Karl Nolle im Webseitentest
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