Karl Nolle, MdL

DNN/LVZ, 05.09.2006

Wenn der Wachdienst über den Vorstand entscheidet

 
Dresden. Recht haben und Recht bekommen sind zwei verschiedene Schuhe. Diese leidvolle Erfahrung musste gestern die Sächsische Landesbank (Sachsen LB) vor dem Oberlandesgericht Dresden (OLG) machen. In der Sache hatte die Sachsen LB nach Auffassung des 2. Zivilsenats Recht. Die begehrte Einstweilige Verfügung erhielt das Bankhaus aber nicht. Wegen eines Formfehlers.

Wieder eine pikante Fußnote im Dauerskandal um die Mitteldeutsche Leasing AG (MDL), deren Aktionäre die Sachsen LB und die Industrie- und Immobilienleasing GmbH (IIL) des Tutzinger Kaufmanns Ludwig Hausbacher sind. Das Tischtuch zwischen den MDL-Protagonisten ist längst zerschnitten und hat für Verwerfungen bis in die Landespolitik gesorgt. Die Parteien treffen sich nur noch vor Gericht, und das ausgiebig. 21 Verfahren harren laut Sachsen-LB-Anwalt Peter Krüger einer Entscheidung. Legionen von Juristen sind damit beschäftigt.

Die Streitigkeiten haben Methode. Die Sachsen LB hätte nichts lieber, als den ungeliebten Mitaktionär an der MDL besser heute als morgen loszuwerden. Das hat seinen Preis. Klagen sind für die IIL eine Möglichkeit, den Wert ihrer MDL-Anteile in die Höhe zu treiben. Klagen und Husarenstücke: Es war am 27. Juli, 12.25 Uhr, da berief die IIL in der Kanzlei ihres Anwalts Stefan Heyder eine MDL-Hauptversammlung ein. Ohne Mehrheitsaktionär Sachsen LB zu laden. Auf der Spontanversammlung wurden zwei MDL-Aufsichtsräte abberufen. Der neue Aufsichtsrat schasste den MDL-Vorstand Rainer Born und berief dafür den Hausbacher-Getreuen Kurt Seitz.

Born erhielt Hausverbot für die MDL-Zentrale, was ihn aber nicht weiter anficht: "Ich übe meine Geschäfte wie bisher aus", erklärte er. Die MDL hat ihren Sitz im Leipziger Gebäude der Sachsen LB, der Wachdienst verweigert Seitz nach dessen Bekunden den Zutritt. Anders gesagt: Die Security entscheidet, wer bei der MDL die Geschäfte führen darf.

Die Sachsen LB wollte den IIL-Handstreich mit einer Einstweiligen Verfügung aus der Welt schaffen. "Korrekt, das war keine ordnungsgemäße Hauptversammlung nach Aktienrecht", erklärte der Senatsvorsitzende Ulrich Hagenloch. Aber: Die Verfügung hätte der alte MDL-Aufsichtsrat begehren müssen. Als Klägerin firmierte aber die MDL. Laut Hagenloch ein glatter Formfehler, der den Erlass der Einstweiligen Verfügung verhinderte.

Mithin bleibt Seitz MDL-Vorstand, auch wenn er die Geschäfte nie ausüben kann. "Wir werden jetzt nicht mit einem Blaulichteinsatz durchsetzen, dass Herr Seitz die MDL-Zentrale betreten darf", kündigte IIL-Sprecher Andreas Waldow an. Der Schwiegersohn von Sachsens Ex-Ministerpräsident Kurt Biedenkopf ist sehr zufrieden mit der "ulkigen Situation" in der MDL. Und den mahnenden Worten Hagenlochs an die Streitparteien, doch endlich einen Vergleich anzustreben.

Der Appell an die Vernunft fiel gestern schon kurz zuvor in einem anderen Prozess, in dem Hausbacher 140 Millionen Euro Schadensersatz von der Sachsen LB fordert. Dass mit so viel Geld nicht zu rechnen sei, stellte Hagenloch schnell klar. Aber einen Anspruch könne es vielleicht geben, sagte er, ohne sich weiter aus dem Fenster zu lehnen. Hätte der Vorsitzende die Karten auf den Tisch gelegt, gebe es für die Parteien keinen Anlass, über einen Vergleich nachzudenken.

So bleibt der Ausgang offen. Und Hagenlochs Mahnung: "Nutzen Sie die Chance, einen Schlussstrich zu ziehen. Mit einem Schlag könnte die Sachsen LB eine Last ablegen und sich wieder auf ihr Kerngeschäft konzentrieren. Das sollte auch ein Argument für den Steuerzahler sein", stand im Raum.

Krüger und Heyder versprachen, ihre Auftraggeber an einen Tisch zu bringen. Sollten die Vergleichsgespräche scheitern - die Sachsen LB bot zuletzt 1,5 Millionen Euro, Hausbacher forderte bis zu 40 Millionen - wird der Senat am 23. Oktober ein Urteil verkünden. Das vom Unterlegenen mit Sicherheit vor dem Bundesgerichtshof angefochten wird. Legionen von Juristen hätten mit den anderen offenen Verfahren weiter gut zu tun...
Thomas Hartwig

Karl Nolle im Webseitentest
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