Freie Presse Chemnitz, 11.12.2006
Lust am Mitregieren - Disziplindruck verschafft Sachsens SPD Halt in neuer Rolle
Leitartikel von Hubert Kemper
Der Juniorpartner hat sich an die neue Rolle gewöhnt. Die SPD sei gut für Sachsen, behauptet Landesvorsitzender Thomas Jurk. Aber noch besser gefallen ihm und seiner Partei das Mitregieren. Das liegt an den Insignien, aber auch an den Erfolgserlebnissen von Macht. Als Wirtschaftsminister genießt Jurk dieses nach zwei Regierungsjahren immer noch berauschende Gefühl. Gute Rahmenbedingungen helfen ihm, der Behauptung entgegenzutreten, nur die CDU verstehe etwas von Wirtschaft.
Die Partei erscheint größer als sie ist.
Als SPD-Vorsitzender profitiert Jurk von der Autorität des Amtes und der immer wieder herausgestellten Funktion des stellvertretenden Ministerpräsidenten. Die Einbindung in die Koalition hat auch die Parteikritiker verstummen lassen. Selten haben sich Sachsens Sozialdemokraten nach außen so geschlossen präsentiert. Personelle Alternativen haben sich erledigt, seitdem Jurk den Machtkampf mit seiner Vorgängerin Constanze Krehl und ihren Leipziger Unterstützern gewonnen hat.
Disziplindruck kommt aber auch von außen. Die FDP bietet sich der CDU als künftiger Koalitionspartner an. Die kecken Liberalen abzuwehren und die Begehrlichkeit der eigenen Basis nach linker Profilschärfe zu befriedigen, verlangt ein beachtliches Maß an Geschmeidigkeit. Jurk gelang das bisher. Aus Sicht von Georg Milbradt (CDU), Teamchef in der Koalition, verkörpert er jenes Maß an Verlässlichkeit, das er FDP-Heißspornen noch nicht zutraut. Das gute Ergebnis, das er in Oschatz erzielte, darf Jurk auch als Bestätigung für seine Glaubwürdigkeit innerhalb der Genossenschaft werten.
Nur mit einem Pragmatiker seines Zuschnitts hat die sächsische SPD eine Chance, dauerhaft die Nische einer aus dem Willy Brandt-Haus aufgepäppelten Spli terpartei verlassen zu können. Das Mitregieren hat bereits die öffentliche Wahrnehmung verändert. Die SPD erscheint größer als sie ist, das gefällt manchem neuen Würdenträger.
Mit einem Generalsekretär bemüht sich die SPD auch in der medialen Auseinandersetzung um Waffengleichheit. Andreas Weigel hätte einen höheren Vertrauensvorschuss verdient gehabt als die abstrafenden 53 Prozent durch die Delegierten. Denn der Zwickauer besitzt die Gabe zuzuspitzen, ohne zu verletzen. Das ist leider selten geworden in einer Szene, von der sich die Menschen auch deswegen abwenden, weil sie den Stil des politischen Gegeneinanders unerträglich finden.