Sächsische Zeitung, 14.12.2006
SPD-Generalsekretär wegen Betrugs verurteilt
Justiz. Andreas Weigel lässt sein neues Spitzenamt vorerst ruhen.
Zwickau. „Ich bin kein Verbrecher.“ Um Fassung ringend, nahm Andreas Weigel gestern das Urteil des Amtsgerichts Zwickau entgegen. Nur vier Tage nach seiner Generals-Kür auf dem SPD-Landesparteitag wurde der 42-jährige Bundestagsabgeordnete gestern wegen Betrugs verurteilt und lässt vorerst sein Amt als Generalsekretär ruhen.
Nach fast sechsstündigem Verhandlungsmarathon hatte Amtsrichter Jürgen Dietel gegen den Politiker gestern überraschend 15 000 Euro Geldstrafe verhängt. Damit ging der Richter sogar noch über die Forderung der Staatsanwaltschaft hinaus. Sollte das Urteil rechtskräftig werden, würde Weigel als vorbestraft gelten. Weigel, so der Vorwurf des Gerichts, habe wissentlich einen offensichtlich unberechtigten Förderantrag unterzeichnet und damit der Bundesagentur für Arbeit (BA) einen Schaden von rund 10 000 Euro zugefügt.
Zum Verhängnis wurde Weigel eine Unterschrift unter einen Förderantrag im Herbst 2002. Damals war Weigel noch als Vorstand der Johanniter-Unfallhilfe in Werdau tätig. Der damals 24-jährigen Olivia M. bot Weigel eine auf ein Jahr befristete Anstellung an. Ein entsprechender Arbeitsvertrag wurde von Weigel unterzeichnet. Die junge Frau trat am 1. September 2002 ihren Dienst an. Etwa zwei Wochen später unterschrieb Weigel dann einen Förderantrag an die Bundesagentur für Arbeit (BA). Demnach sollten etwa 40 Prozent der Kosten aus dem Europäischen Sozialfonds (ESF) finanziert werden. Doch im Förderantrag war plötzlich von einem unbefristeten Arbeitsverhältnis die Rede. Dem Arbeitsamt lag auch nicht etwa die Kopie eines befristeten Arbeitsvertrags, der nicht förderungsfähig wäre, sondern eines unbefristeten Arbeitsvertrags vor. Der Schwindel flog auf, als der Arbeitsagentur bei der Förderab-rechnung auffiel, dass Olivia M. während einer Schwangerschaft gekündigt worden sein musste. Da hakten die Beamten nach.
Doppelter Fehlstart
Weigel selbst schwieg gestern beharrlich. Dafür bestätigte die Personalleiterin der Johanniter, die in der Sache bereits rechtskräftig verurteilt ist, dass sie den Vertrag manipuliert habe. Ob Weigel davon gewusst oder gar den Schwindel veranlasst hatte, daran konnte oder wollte sie sich nicht mehr erinnern. Weigel habe auf die Zuarbeiten seiner Mitarbeiter vertraut, betonte sein Anwalt Jürgen Trautmann. Zudem sei er wegen der Flut und des Bundestagswahlkampfes 2002 stark beansprucht gewesen. Er habe sicher nicht in Betrugsabsicht gehandelt. Richter Dietel wollte das nicht gelten lassen. „Als Mitglied des Bundestags und des Verteidigungsausschusses müssten Sie wissen, dass Sie Dinge nicht einfach blindlings unterschreiben dürfen.“ Derartige „Sozialbetrügereien“ müssten hart bestraft werden.
Für die SPD ist der doppelte Fehlstart ihres Generals verheerend. Weigel war am Sonnabend erst mit einem niederschmetternden Ergebnis von 53,4 Prozent in den neuen Spitzenposten berufen worden. Sein laufendes Verfahren war bekannt. Die SPD gehe von einem für Weigel „erfolgreich verlaufenden Ausgang des Verfahrens aus“, hieß es aus der Parteizentrale. Wann der General wieder als General „kämpfen“ wird, ist ungewiss.
Von Annette Binninger