DNN/LVZ, 23.01.2007
„Verheerender Schaden"
Biedenkopf macht seinen Nachfolger Milbradt erneut für Krise der Sachsen LB verantwortlich
Dresden (DNN). Die Reaktionen kamen postwendend, doch sie konnten unterschiedlicher kaum sein. „Milbradt durch Biedenkopf schwer belastet - für Landesbank-Skandale persönlich verantwortlich", polterte die Linkspartei. „Vernehmung Biedenkopfs bringt keine neuen Erkenntnisse", meinten dagegen fast schon gelangweilt CDU und auch die FDP-Fraktion. Dabei bezogen sich alle Seiten auf ein und dasselbe: den Auftritt von Ex-Regierungschef Kurt Biedenkopf (CDU) als Zeuge im Untersuchungsausschuss zur Affäre um die Sachsen LB - ein Szenario von einigem politischen Gehalt.
Entsprechend angespannt war die Lage im Vorfeld. Würde der Amtsvorgänger seinem Nachfolger Georg Milbradt (CDU) erneut attackieren? So wie im Frühjahr 2005, als ein persönlicher Brief an Milbradt viel Staub aufwirbelte, weil Biedenkopf seinem einstigen Finanzminister schwere Vorwürfe im Umgang mit der Landesbank machte? Oder würde er sich zurückhalten?
Letztlich blieb Biedenkopf bei seiner alten Linie. Tenor: Sehr wohl sei der Regierungschef, also Milbradt, für die Missstände an der Spitze der Bank qua Amt verantwortlich; auch sei davon auszugehen, dass er über die meisten Untiefen rund um das Geldinstitut „umfänglich informiert" gewesen sei, eben so, „wie sich das gehört". Zu weiteren Attacken aber ließ sich Biedenkopf nicht hinreißen, zumal Konsequenzen gezogen und die BankVorstände Michael Weiss, Rainer Fuchs und Andrea Braun entlassen worden seien. Das allerdings sei nicht frühzeitig genug geschehen. „Wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist, werden Konsequenzen immer zu spät gezogen", sagte Biedenkopf dieser Zeitung.
Er bedauerte, dass sein internes Schreiben an die Öffentlichkeit gelangt sei, in der Sache aber nahm er nichts zurück.
Beispiel Schaden fürs Land: Durch Missmanagement sei dieser „erheblich", ja „verheerend", so Biedenkopf.
Beispiel Intervention: Gleich zwei Mal habe er selbst Milbradt auf die seiner Meinung nach unhaltbaren Zustände angesprochen, geschehen aber sei nichts.
Entzündet hatte sich der millionenschwere Streit an der LandesbankTochter MDL, an der das bayrische Unternehmen IIL beteiligt war. Dort arbeitet ausgerechnet Biedenkopfs Schwiegersohn Andreas Waldow als Sprecher. Als im Zwist um den Firmenwert ein aktienrechtliches Dokument gefälscht wurde und die Aktion Waldow untergeschoben werden sollte, habe er den Brief verfasst, meinte Biedenkopf.
Der Konflikt endete mittlerweile mit einem Vergleich vor Gericht, an den Bankchefs aber ließ• der frühere Ministerpräsident auch gestern kein gutes Haar. Die Führung sei „chaotisch" gewesen, es habe eine „Fülle von Verfahrensfehlern" gegeben. „Die Herren" seien nicht einmal in der Lage gewesen, aktienrechtliche Dinge korrekt zu erledigen, kritisierte Biedenkopf und wies gen Dresden: Die Staatsregierung habe sehr wohl gewusst, „dass dort etwas schief läuft".
Der Auftritt gestern wäre kein Biedenkopf-Auftritt gewesen, hätte es keine weiteren klugen Ratschläge gegeben. Wäre er Ministerpräsident gewesen, betonte der fast 77-Jährige, hätte er einen Alleinvorstand bei der MDL nicht zugelassen, „Bei jeder kleinen Sparkasse gilt das Vier-Augen-Prinzip." Und auch hohe Abfindungen an die geschassten Bank-Vorstände würden unter ihm nicht gezahlt. „Die Konditionen wären nicht erfüllt worden. Die Mitwirkung an einer Urkundenfälschung ist vielmehr ein Grund zu einer fristlosen Entlassung. Punkt." Die Position von Rainer Fuchs, der zurzeit auf Schadensersatz klagt, sei - so Biedenkopf in seiner unnachahmlich Art - „gelinde gesagt fragil".
Von Sven Heitkamp und Jürgen Kochinke
(Der Brief von Biedenkopf an Milbradt vom
4. März 2005 unter www.dnn-online.de/download)
HINTERGRUND
Die Landesbank-Affäre
• 20. Februar 2004: Erste Berichte über Missmanagement und Vetternwirtschaft in der Landesbank. Es wird bekannt, dass MDL-Chefin Andrea Braun Lebensgefährtin von Landesbank-Chef Michael Weiss ist.
• 25. Februar 2005: Nach Hausdurchsuchungen bei der Landesbank erklärt Regierungschef Milbradt, die Vorstände Weiss und Rainer Fuchs hätten um Abberufung gebeten. Braun wird wenig später entlassen.
• 4. März 2005: Ex-Ministerpräsident Kurt Biedenkopf gibt seinem Nachfolger Georg Milbradt in einem persönlichen Brief die Mitschuld an dem Dauerdesaster bei der Sachsen LB. Wörtlich heißt es darin: „Ich erwarte von Dir, dass Du zu dieser Verantwortung auch öffentlich stehst."
• Mitte April 2005: Während einer „Kubanischen Nacht" beim Landespresseball in Dresden soll Finanzminister Horst Metz dem Unternehmer Ludwig M. Hausbacher eine Vergleichssumme von 35 Millionen Euro angeboten haben. Dies berichtet Andreas Waldow - Biedenkopfs Schwiegersohn. Metz dementiert. Hausbacher fordert von der Sachsen LB 140 Millionen Schadenersatz, weil diese ihn aus der Leasing-Firma MDL herausgedrängt habe.
• 21. April 2005: Der Landtag beschließt auf Antrag der Linksfraktion die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses.
• 23. Oktober 2006: Sachsen LB und Hausbachers Immobilien-Leasing-Firma IIL beenden mit einem 14,9-Millionen-Kompromiss den zweieinhalbjährigen Streit. Damit wenden sie 27 weitere Gerichtsverfahren ab. Der Untersuchungsausschuss setzt seine Arbeit jedoch fort. S. R.