Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 23.04.2007

„ Zuspitzung ungerechtfertigt“

Der SPD-Landeschef und Vize-Ministerpräsident Thomas Jurk weist im SZ-Gespräch die Kritik der CDU zurück.
 
Herr Jurk, die CDU hat der SPD die Vertrauensfrage gestellt, ob sie eigentlich noch diese Koalition will. Glauben Sie, dass zwischen beiden Partnern – vor allem zwischen dem Ministerpräsidenten und Ihnen – überhaupt noch das Vertrauen besteht, um gemeinsam regieren zu können?

(Lange Pause) Das ist eine schwierige Frage.

... die Sie nicht eindeutig mit Ja beantworten können?

Lassen Sie es mich so sagen: Ich hatte am Freitagvormittag noch ein Gespräch mit Georg Milbradt. Aber dass anderthalb Stunden später sein Generalsekretär die SPD derart unsachlich angreifen wird, darüber hat er mit mir nicht gesprochen.

Die Atmosphäre in der Regierungskoalition scheint derzeit im Keller angekommen zu sein.

Ich werde mit Georg Milbradt darüber zunächst unter vier Augen sprechen.

Was vermuten Sie, warum die CDU derart scharf die SPD und auch Sie persönlich attackiert?

Mein Eindruck ist, dass man sich hier nicht mehr um Sachfragen bemüht, sondern eine Koalitionskrise heraufbeschwören will. Es gibt eine Vielzahl von Initiativen der Staatsregierung, über die wir einig sind. Nur der CDU-Generalsekretär hat sehr aufgeregt eine Zuspitzung vorgenommen, die in der Sache überhaupt nicht gerechtfertigt ist.

Mittlerweile hat man den Eindruck, dass die Differenzen zwischen den Koalitionären größer sind als ihre Gemeinsamkeiten.

Natürlich gibt es viele Unterschiede zwischen CDU und SPD. Die Kunst in einer Koalition besteht aber darin, die beiden Positionen zusammenzuführen. Und ich finde, dass es viele Aufgaben gibt, die wir gemeinsam im Interesse des Landes gelöst haben. Ich denke etwa an den Haushalt ohne Neuverschuldung. Viel wichtiger als die Befindlichkeiten des einen oder anderen ist mir, dass es im Land vorangeht.

Es muss für Sie eine ziemliche Bedrohung sein, wenn PDS und FDP die CDU bereits in eine Minderheitsregierung locken.

Das ist vor allem eine Bedrohung für den Freistaat. Eintreten wird das aber nicht. Wir wollen diese Koalition bis 2009 fortführen.

Die CDU sieht die SPD in der Rolle des Blockierers – beispielsweise auch bei der geplanten Änderung des Versammlungsrechts.

Ich war immer ein Mensch, der konstruktiv die Debatten führt. Das wünschte ich mir auch von der CDU. Und was das Versammlungsrecht angeht: Ich werde mit dem Justizminister darüber sprechen, ob es Möglichkeiten gibt, das Demonstrationsrecht so zu gestalten, dass es nicht missbraucht wird. Aber man muss in dieser Frage sehr sensibel vorgehen, um nicht am Ende eine Niederlage vor dem Bundesverfassungsgericht zu kassieren. Und im Übrigen: Nur mit Verboten lassen sich Rechtsextremisten nicht bekämpfen.

Beispiel Hochschulgesetz: Wissenschaftsministerin Stange (SPD) hatte sich bereits mit CDU-Vertretern über die Personalhoheit der Universitäten geeinigt. Zurückgepfiffen wurde sie von der SPD-Fraktion.

Die SPD-Fraktion trägt das Gesetz in weiten Teilen mit. Wir wollen jedoch absichern, dass es kein Lohndumping für Arbeiter und Angestellte an den Hochschulen gibt. Wir bleiben trotzdem gesprächsbereit. Es muss doch möglich sein, über einen für Sozialdemokraten wichtigen Punkt noch einmal zu sprechen. Personalhoheit und Tarifvertrag sind ja keine Gegensätze.

Also wird es ein Gesetz geben. Spätestens im Frühjahr 2008?

Das hängt nicht nur von uns, sondern von beiden Partnern ab.

Das zweite Thema, das die Eskalation bewirkt hat, ist die Waldschlößchenbrücke. Sie haben jetzt sogar die Fördermittel sperren lassen.

Für mich gibt es zwei Dinge zur Brücke zu sagen: Zum einen gibt es einen Bürgerentscheid, den ich akzeptiere. Zum anderen gibt es die Sorge um den Erhalt des Weltkulturerbe-Titels. Ich habe immer dafür geworben, dass wir alle Möglichkeiten nutzen, zu einem Kompromiss zu kommen, der beides möglich macht. Aber es gibt eine interessierte Seite, die keinen Kompromiss will und stattdessen im Betondenken verharrt.

Also bleibt das Geld gesperrt?

Es gibt zwei Gründe, warum es vorerst kein Geld gibt. Erstens den Brief von Bundesverkehrsminister Tiefensee, der eine bundesfreundliche Verwendung der Mittel fordert. Und es müssen die Klagen vor der Vergabekammer geklärt werden.

Sie glauben, dass ein Kompromiss noch möglich ist?

Bei gutem Willen auf allen Seiten müsste es möglich sein. Aber nur, solange noch keine vollendeten Tatsachen geschaffen wurden.

Das Gespräch führte Annette Binninger.

Karl Nolle im Webseitentest
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