Sächsiche Zeitung, 18.05.2007
Landtag gibt Geheimakten frei
Die parlamentarische Kontrollkommission will das brisante Material des Verfassungsschutzes an die Justiz abgeben – unklar ist noch, was davon dort ankommen wird.
Die Landtagskommission zur Kontrolle des sächsischen Verfassungsschutzes (PKK) hat beschlossen, dass der Geheimdienst seine Erkenntnisse über vier von insgesamt fünf Fällen Organisierter Kriminalität der Justiz zur Verfügung stellen soll. Dem Innenminister werde „dringend empfohlen“, die entsprechende Anweisung zu erteilen, heißt es.
Doch noch ist unklar, wie viel von den Erkenntnissen der Verfassungsschützer strafrechtlich verfolgt werden soll. Generalstaatsanwalt Jörg Schwalm teilte am Mittwoch mit, dass er die Staatsanwaltschaft Dresden beauftragt habe, die Informationen „über ein Geflecht Organisierter Kriminalität in Leipzig, Chemnitz und Plauen zu untersuchen“. Federführend werde die Antikorruptionseinheit Ines sein. Geprüft werde, ob „Veranlassung zur Einleitung neuer bzw. Wiederaufnahme bereits abgeschlossener Untersuchungen besteht“. Die Erkenntnisse des Verfassungsschutzes sollen dabei „im Rahmen der strafprozessualen Bestimmungen“ berücksichtigt werden.
Erneute juristische Prüfung
Damit steht fest, dass nach den Parlamentariern nun die Juristen erneut prüfen, welche Informationen vom Verfassungsschutz bei der Strafverfolgung eine Rolle spielen. Sollten aber Staatsanwälte oder Richter die Auffassung des Datenschützers des Landes, Andreas Schurig, teilen, könnte es sein, dass es nie zu einem Prozess kommt. Zudem könnten Taten wie Bestechlichkeit und Korruption verjährt sein, sagte der Staatsanwalt Christian Avenarius gegenüber der Nachrichtenagentur dpa. Die Fraktion der Linkspartei kritisierte am Mittwoch Innenminister Albrecht Buttolo (CDU), weil die Erkenntnisse des Landesamtes nicht früher an die Staatsanwaltschaft abgegeben wurden. „Wieso hat der Innenminister erst durch seine Teilnahme an den PKK-Sitzungen von diesen Fällen erfahren?“, monierte PKK-Mitglied Caren Lay. Die Fälle seien reif für den Staatsanwalt gewesen. „Deshalb muss geklärt werden, wer die Abgabe verhindert hat.“
PDS-Fraktionsgeschäftsführer André Hahn erklärte, dass die PKK ohne den Datenschutzbeauftragten nie über diese Fälle unterrichtet worden wäre. Auch der CDU-Politiker Frank Kupfer kritisierte gegenüber der Nachrichtenagentur AP, dass die PKK vom Verfassungsschutz nicht rechtzeitig über die Affäre informiert wurde. Kupfer, ebenfalls PKK-Mitglied, sprach von brisanten Akten.
Bundesamt ohne Erkenntnis
In der PKK gibt es offensichtlich Konsens, dass die Kontrollbefugnisse des Gremiums unzureichend sind. Man werde über eine Stärkung der Rechte beraten, heißt es in einer Erklärung. Die Linksfraktion legte am Mittwoch dazu bereits einen Gesetzentwurf zur Stärkung der parlamentarischen Kontrolle vor. Die Akteneinsicht soll erleichtert werden. Die Konsultation von Sachverständigen wird ebenso gefordert, wie die Möglichkeit der PKK, die Staatsanwaltschaft einzuschalten. Auch sollen sich Verfassungsschützer künftig mit Eingaben an die PKK wenden dürfen. Grundsätzlich ist die PKK der Auffassung, der Verfassungsschutz habe in vier von fünf Fällen auf legalem Weg Informationen über die Organisierte Kriminalität gesammelt hat. Sie widerspricht damit der Rechtsauffassung des Datenschutzbeauftragten, der die Arbeit des Amtes beanstandet und die Vernichtung der Akten gefordert hatte.
Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat keine Erkenntnisse über einen Korruptionsskandal in Sachsen, heißt es in hochrangigen Kreisen des Inlands-Geheimdienstes. „Wenn das sächsische Landesamt für Verfassungsschutz Informationen über eine Gefährdung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung hätte, hätte es auch uns informieren müssen“, hieß es. Dies sei nicht geschehen.
Von Thomas Schade