Sächsische Zeitung, 06.06.2007
Akten-Affäre belastet Koalition zunehmend
Es gibt neue Vorwürfe gegen Politiker und Juristen. Die Opposition drängt nun auf einen Untersuchungsausschuss.
Die Geheimakten des sächsischen Verfassungsschutzes, die umfangreiche Anschuldigungen gegen Politiker, Juristen und Polizisten enthalten sollen, sorgten gestern für eine dreistündige Debatte im Landtag. Vor allem die PDS warf der Regierung dabei vor, die Aufklärung der Vorwürfe unnötig zu verzögern.
Noch kurz vor der Sondersitzung des Parlaments wurden weitere Details zu der Affäre bekannt. In einem zweiten Aktenstapel, der jetzt der Justiz zur Prüfung übergeben wurde, sollen die Namen von mindestens zwölf neuen Personen auftauchen, die des Amtsmissbrauchs oder der Korruption verdächtigt werden. Auch sie stammen aus dem Umfeld der Leipziger Stadtverwaltung bzw. aus der Region.
Gleichzeitig kommt aber auch der Verfassungsschutz in Erklärungsnot. So musste das Landesamt intern einräumen, dass ein Teil der gesammelten Akten zu den Aktivitäten der Organisierten Kriminalität bereits geschreddert wurde. Nach SZ-Informationen betrifft das deutlich mehr als 20 Ordner. Dabei steht der Vorwurf im Raum, dass das brisante Material erst vernichtet wurde, als die Parlamentarische Kontrollkommission des Landtages Einsicht in die Papiere verlangte.
Milbradt droht SPD-Ministern
Der Sondersitzung ging außerdem ein heftiger Streit zwischen den Regierungsfraktionen von CDU und SPD voraus. So wollten die Sozialdemokraten einem Antrag der oppositionellen PDS, mit dem eine zügige Aufklärung der Vorwürfe gefordert wird, in zwei von sechs Punkten zustimmen. Die CDU, die erst geneigt war, das ungewöhnliche Abstimmungsverhalten ihres Koalitionspartners zu tolerieren, beugte sich dann aber einem Veto von Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU). Der forderte die SPD ultimativ zur Koalitionsdisziplin auf. Mehrere CDU-Abgeordnete zitierten Milbradt mit dem Satz: „Wenn die SPD Teilen des PDS-Antrages zustimmt, erhalten ihre beiden Minister heute die Entlassungsurkunden.“ Betroffen hätte das die Ressortchefs Thomas Jurk (Wirtschaft) und Eva-Maria Stange (Wissenschaft). Am Ende gab es einen Kompromiss. CDU und SPD – hier aber mit vielen Enthaltungen – lehnten das PDS-Papier ab und beschlossen dafür einen eigenen Antrag zum gleichen Thema.
Ansonsten verlief die Debatte im Plenum erwartet kontrovers. Während Innenminister Albrecht Buttolo überraschend vor dem wachsenden Einfluss von Mafia-Netzwerken im Land warnte, verteidigte Justizminister Geert Mackenroth (beide CDU) die schrittweise Prüfung der Vorwürfe. Vorrang müssten die Regeln des Rechtsstaates haben und nicht der Faktor Zeit.
Die PDS sieht darin den Versuch, die Aufklärung zu behindern. Sie kündigte deshalb an, auf der Juli-Sitzung des Landtages einen Untersuchungsausschuss zu beantragen, dessen Einsetzung die 31-köpfige Fraktion jederzeit im Alleingang durchsetzen kann. Später schloss sich die FDP dieser Forderung an.
von Gunnar Saft