Sächsische Zeitung, 12.06.2007
Neue Anschuldigungen und eine Strafanzeige
Die Landesregierung ist in der Korruptions-Affäre unter Dauer-Beschuss.
In der Korruptions-Affäre jagen sich neue Vorwürfe und Dementis in immer kürzeren Zeitabständen. Und die Gemengelage aus neuen Beschuldigungen, Gerüchten und Verdachstmomenten wird immer unübersichtlicher. Dabei gerät die Staatsregierung vor allem durch detaillierte Vorwürfe des Frankfurter Korruptions-Experten und Buch-Autoren Jürgen Roth zunehmend in die Dauer-Defensive.
Sachsens Regierungschef Georg Milbradt (CDU) wies gestern Vorwürfe Roths entschieden zurück. Er sei nicht, wie Roth in einem Gespräch mit der SZ behauptet hatte (siehe Montagausgabe), Mitte November 2006 über zwei Korruptionsfälle informiert worden. Bei diesem Treffen, so erklärte Milbradts Regierungssprecherin, sei es lediglich um ein „angebliches Fehlverhalten eines Bediensteten in Zusammenhang mit einem Verkehrsdelikt“ gegangen. Auch Justizminister Geert Mackenroth (CDU) nahm seine Staatssekretärin Hauser in Schutz gegen den Vorwurf, sie habe frühzeitig im kleinen Kreis jegliche Ermittlungen in der Affäre als wenig aussichtsreich bezeichnet und die Aufklärung damit behindert.
Ermittlungsverfahren offen
Die Dresdner Staatsanwaltschaft lässt weiter offen, ob zur Klärung der Affäre bereits Ermittlungsverfahren gegen beschuldigte Personen eingeleitet wurden. Derzeit ist aber offenbar nicht beabsichtigt, das Bundeskriminalamt in die Aufklärung einzubeziehen. Das sei Sache der ermittelnden Staatsanwaltschaft, sagte Wolfgang Klein, Sprecher des Generalstaatsanwalts.
Unterdessen will der frühere Wirtschaftsstaatssekretär Wolfgang Vehse Strafanzeige gegen Buch-Autor Jürgen Roth stellen. Roth hatte in dem SZ-Gespräch einen ehemaligen Staatssekretär erwähnt, der einen Brief an die Dresdner Chip-Firma ZMD geschrieben habe. Darin soll der Beamte sinngemäß formuliert haben, dass er ZMD Gutes getan habe und nun quasi eine Gegenleistung erwarte. Der Ex-Staatssekretär, dessen Name nicht genannt wird, habe gut dotierte Beraterverträge erhalten, so Roth. Wolfgang Vehse erklärte, dass er sich nach seinem Ausscheiden aus dem Dienst bei etwa 150 Personen schriftlich für die gute Zusammenarbeit bedankt habe. Die Antikorruptionseinheit Ines habe den Vorgang untersucht und von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens abgesehen, weil kein Anfangsverdacht vorgelegen habe, so Vehse. Die PDS forderte gestern Ines auf, in der Sache neu zu ermitteln.
Nolle attackiert Mackenroth
Neue Vorwürfe hat auch der SPD-Landtagsabgeordnete Karl Nolle erhoben. Sie stehen zwar in keinem unmittelbaren Zusammenhang zu den Korruptionsvorwürfen, zielen aber ausgerechnet auf den ohnehin bereits durch die Dauer-Affäre angeschlagenen Justizminister Geert Mackenroth (CDU). In einer parlamentarischen Anfrage will Nolle heute erfragen, ob der Minister vor knapp zwei Jahren mit seiner Ehefrau kostenfrei an einer Segel-Tour sächsischer Unternehmen, der „Sachsen-Sail“, teilgenommen habe. Mackenroth dementierte umgehend. „Der Justizminister segelt nicht“, hieß es. Er habe lediglich an einer Diskussionsrunde in Danzig teilgenommen. Und dabei habe er sich auch nicht von der Industrie- und Handelskammer Leipzig (IHK) sponsern lassen. Die von der IHK für seine Frau in Rechnung gestellten Flug- und Hotelkosten seien privat bezahlt worden.
Von Annette Binninger und Thomas Schade