Karl Nolle, MdL

Die Welt, 17.06.2007

Die Linke: Rote Ballons zum Geburtstag einer neuen Partei

 
Ohrenbetäubende Musik. Große, rote Ballons tanzen durch den Raum. Die 751 Delegierten klatschen rhythmisch und jubeln. Um Punkt 16.36 Uhr am Samstag ist es so weit: Deutschland hat eine neue Partei. Die Linke ist nach zwei Jahren harter Verhandlungen geschmiedet aus der Linkspartei.PDS und der WASG.

Ihre Macht scheint groß, laut Umfragen liegt ihr Wählerpotenzial bei 24 Prozent. Die Stimmung am Gründungsparteitag im Berliner Hotel Estrel ist dementsprechend grandios. „Heute wird erst mal gefeiert. Ab morgen wird gearbeitet“, ruft Fraktionschef Gregor Gysi bereits in der ersten Rede das Motto aus. Das stimmt dann doch nicht so ganz, weil noch einige Anträge abgestimmt werden, beispielsweise, ob nicht mit der Gründung der Partei so lange gewartet werden müsse, bis das Berliner Stadtschloss gebaut sei. Dann gibt es noch lange Debatten über die Geschäftsordnung, Debatten, ob die Frauen genügend berücksichtigt sind, die Abstimmung über die spontane Einberufung eines Frauenplenums.

Los gehts erst mal mit Goethe

Dass aber letztlich mit der Neugründung alles glatt gehen wird, ist trotzdem klar. Schon zum Auftakt gibt es eine Showeinlage: Ein weiß geschminkter Zeremonienmeister deklamiert ein Goethe-Zitat: „Am Anfang steht die Tat!“ ruft er, während ein in rote T-Shirts gekleideter Trupp überwiegend junger Leute riesige weiße Buchstaben auf die Bühne trägt. Unter rhythmischem Klatschen der Delegierten formiert sich der Namenszug der neuen Partei.

„Die Linke hat das Licht der Bundesrepublik erblickt“, stellt Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau als Tagungsleiterin fest. Hinter ihr sind auf Schildern die wichtigsten Ziele der neuen Partei zu lesen. „Wir wollen Grundideen alternativer Politik zusammenführen. Demokratie, Freiheit, Gleichheit, Gerechtigkeit.“ Darunter ist zu lesen: „Friedenspolitik“. Um das Ereignis der Gründung zu würdigen, sind prominente Gäste gekommen – aus 50 Ländern. Neben Politikern wie dem Vorsitzenden der europäischen Linken, Fausto Bertinotti, sind auch Gewerkschafter da wie die stellvertretende ver.di-Vorsitzende Margaret Mönig-Raane und Künstler wie Frank Castorf, Peter Sodann und Konstantin Wecker.

Oskar Lafontaine reißt alle mit

Die beiden vielleicht begnadetsten Rhetoriker, die die deutsche Politik momentan zu bieten hat, bringen die Delegierten in Schwung. Gysi sieht einen Tag die Einheit mit der neuen Linken vollendet. „Lasst uns heute ein schönes Event feiern“, ruft er. Von Bayern bis Mecklenburg-Vorpommern müsse man den Mitgliedern zeigen, dass dies mit Würde funktioniere. Und der künftige Parteichef Oskar Lafontaine reißt die Delegierten zu Beifallsstürmen hin und stimmt die Partei auf ihre bundesweite Rolle links von der SPD ein. Die Linke stehe „in der Tradition der deutschen Arbeiterbewegung“, ruft der Ex-SPD-Chef unter Jubel und stichelt gegen die SPD. Die Reformchaoten hätten den Sozialstaat zerstört. Lafontaines Co-Vorsitzender Lothar Bisky wirkt da beruhigend. Er verweist auf die unterschiedliche Herkunft beider Partner und mahnt, auch künftig den Andersdenkenden zu achten. Die designierte stellvertretende Parteivorsitzende Katja Kipping ist ebenfalls euphorisch. Generationen von Linken hätten von einer vereinigten Linken geträumt. Viele hätten mit dem Gefängnis dafür bezahlt. „Wir vollbringen es nun.“ Bodo Ramelow, dessen Job als Fusionsbeauftragter vollbracht ist, denkt schon an die Zukunft. Nun müsse es das Ziel sein, in einem westdeutschen Flächenland wie Hessen den Einzug in den Landtag zu schaffen.

„Der Widerstand muss weiter gehen“

Auch die Prominenz aus der Kultur ergreift das Wort. Schauspieler Sodann ist nachdenklich, spricht von Utopien, einer Welt ohne Kriege und Armut: „Wer keine Träume hat, ist kein Realist.“ Dann zitiert er ein Brecht-Gedicht: „Armer Mann und reicher Mann / standen da und sah’n sich an / und der Arme sagte bleich: / ’Wär ich nicht arm, wärst du nicht reich’.“ Brecht favorisiert auch Frank Castorf: Das angemessene Lied sei seiner Ansicht „Weil der Mensch ein Mensch ist“. Der Intendant der Volksbühne sagt, Arbeit sei ein Menschenrecht und Voraussetzung für kulturelle Entwicklung. Aber in diesem Land herrsche eine „unglaubliche Verlogenheit“. Zwischendurch werden per Video Bilder von der Demonstration in Rostock gegen den G-8-Gipfel eingespielt. „Der Widerstand muss weiter gehen“, schreit eine Demonstrantin – und die Delegierten klatschen. ap/kas

Karl Nolle im Webseitentest
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