Karl Nolle, MdL

Freie Presse Chemnitz, Seite 4, 02.07.2007

Heimatliches Störfeuer

Milbradt absolviert Mammutprogramm in China — Unterstützung vom Wirtschaftschef
 
Wuhan/Yichang. Heiße Dunstschwaden trüben am Morgen das Jangtsetal ein. An Bord eines Dampfers genießt Georg Milbradt (CDU) die frische Fahrtbrise. In dem dicht gedrängten Besuchsprogramm ist der kurze Ausflug zu dem gigantischen Dreischluchten-Staudamm die einzige Unterbrechung ohne politisch-wirtschaftlichen Charakter. Doch auch die Nachrichten aus der Heimat verhinderten, dass die einwöchige China-Reise des sächsischen Ministerpräsidenten einen entspannten Charakter hatte.

68 Meter zeigt ein Pegel am Ufer die Höhe des aufgestauten Jangtse an. Wasserstandsmeldungen aus den Schluchten der heimischen Regierungskoalition und neue Pressemeldungen von geschredderten Verfassungsschutz-Papieren bringen Milbradt äußerlich nicht aus der Fassung. „Hysterisches Geschrei" nennt er das und beklagt „die Diskrepanz zur Substanz belegbarer Vorwürfe".

10.000 Kilometer Entfernung und neue Eindrücke schaffen Distanz und helfen bei der Festlegung von Prioritäten. „In China sieht man, vor welchen Herausforderungen unser Land steht und worüber wir reden müssen". Vor vier Jahren war er letztmals hier und erkennt vieles nicht wieder. „Heute sieht man eine neue Fabrik, ein neues Ruhrgebiet neben dem anderen", beschreibt er Tempo und Dimension der Aufholjagd. Unsere Antwort könne nur Flexibilität und Dynamik heißen, also Förderung des Exports.

Drohungen von der SPD, Rücktrittsforderungen an den Innenminister: Zur Unzeit sei er nach China gefahren, hieß es. „Unsinn" hält Milbradt dagegen. Wie fatal das Signal nach innen und außen gewesen wäre, wenn er die Reise abgesagt hätte, gibt er zu bedenken. Neun Monate Planungszeit haben Mitarbeiter aus Staatskanzlei, Umwelt- und Wirtschaftsministerium sowie Wirtschaftsförderung in die Reise-Vorbereitung investiert. Vier Mitarbeiter aus diesen Behörden hatten das minutiös eingetaktete Programm vor Ort mit den Gastgebern festgelegt.

„Mit solchen Reisen ist Bayern von einem Agrar- zum Industrieland geworden", erinnert Bodo Finger an die Türöffnerfunktion, die einst Franz-Josef Strauß für seine Unternehmen in aller Welt gespielt hat. Sachsen als neues Bundesland müsse sich doppelt anstrengen, unterstützt der Präsident der Vereinigung der Sächsischen Wirtschaft die Reisediplomatie Milbradts und auch dessen Einschätzung zur Lage daheim. „Von China aus betrachtet wirkt das wie Provinztheater".

Von der Küste mit dem Megazentrum Shanghai hat sich Chinas Wirtschaftsaufschwung in das Landesinnere verlagert. Die einstige Stahlstadt Wuhan ist mit ihren modernen Wohnparks, dem JangtseHochwasserdamm, großzügigen Parks und dem modernen Kulturkomplex nicht wiederzuerkennen. Das technische Kernstück im Quintai Theater steuerte ein mittelständisches Unternehmen aus Dresden, die SBS Bühnentechnik, hinzu. Aufträge aus China wie für das Opernhaus in Hangzhou und das Nationaltheater in Peking haben der SBS zum Zuschlag für das Zehn-Millionen-Euro-Projekt in Wuhan verholfen und sichern die Expansion in Dresden mit 17o Mitarbeitern.

Politische Schützenhilfe, im Falle SBS durch eine Reise von Staatssekretär Andrea Fischer, ist für deutsche Mittelständler bei China-Geschäften nahezu unerlässlich. Mit Hubei, einer Provinz mit über 60 Millionen Einwohnern, entwickelt Sachsen eine ausbaufähige Beziehung. Partei- und Provinzführung waren bereits zu Gast im Freistaat. Gouverneur Luo Quingquan und Li Chunming, Generalsekretär der Partei, rollten für Milbradts Delegation im früheren Gästehaus Maos den roten Teppich aus. Und wenn der Sachsen-Besuch durch die überfüllte Sechs-Millionen-Stadt oder 36o Kilometer vom Jangse-Staudamm zurück nach Wuhan über die Autobahn raste, dann sorgte eine Polizei-Eskorte für freie Fahrt. „Wie wollen wir uns da in Dresden revanchieren?" fragte ein nachdenklicher Staatskanzlei-Mitarbeiter.

Andere Anregungen nimmt Michael Lohse, IHK-Präsident aus Chemnitz mit nach Hause. „Für die Logistikbranche und für den Maschinenbau bieten sich in China Riesenchancen", lautet sein Fazit. Das Beispiel des Oelsnitzer Unternehmens FSG mit der Niederlassung in Wuhan vor den Toren der Autoindustrie hat ihm imponiert. Auch der Ansporn von FSGChef Hans Schlickum. Um nachzuvollziehen, „was hier abgeht", müsse man morgens um fünf Uhr aufstehen „und sehen, wie es auf den Straßen wieselt und wuselt".
Von Hubert Kemper

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