DNN/LVZ, 09.07.2007
Die Linke: Wadenbeißer Hahn wird Fraktionschef
Dresden. Nach einer langen Wahl-Zitterpartie geht André Hahn am Abend des 11. September 1994 glücklich nach Hause. Auf Listenplatz 22 der damaligen PDS ist er laut allen Hochrechnungen in den Landtag gerutscht. Doch das amtliche Ergebnis am nächsten Morgen sieht anders aus: Bei Platz 21 ist Schluss, dem gerade 31 Jahre alten Lehrer aus Berlin fehlen ein paar Hundert Stimmen. Nur fünf Wochen später soll jedoch die nächste Wende kommen: Die Abgeordnete Barbara Höll wird wieder in den Bundestag gewählt und für Hahn der Platz damit frei – der Beginn einer wechselvollen Landtagsgeschichte.
Er hat kaum das Mandat angenommen, als der Parlamentarische Geschäftsführer (PGF) Detlef Wehnert unter heftigen Querelen die Fraktion verlässt – und Hahn sein Nachfolger wird. Das war im April 1995. Heute ist er einer der dienstältesten PGF bundesweit. Morgen wollen ihn die 31 Abgeordneten zum Nachfolger von Fraktionschef Peter Porsch wählen, wie es die Parteigremien im Februar vorgeschlagen haben. Hahn wird damit zu einer zentralen Führungsfigur der Partei Die Linke in Sachsen – und möglicher Spitzenkandidat für die Wahl im 2009.
Doch es wird kein leichter Start für den neuen Vorsitzenden. Porsch übergibt nach 13 Jahren eine Fraktion, die in viele Grüppchen zerfallen ist, vor allem die „Jugendbrigade“ und ältere Genossen liegen heftig über Kreuz. Hahn will die Kontrahenten künftig zusammenführen, um zur Wahl in zwei Jahren geschlossen anzutreten. „Man muss auch Entscheidungen treffen und Konflikte nicht zu lange schwelen lassen“, sagt der Mann aus dem Kurort Gohrisch bei Pirna. Doch Kritiker werfen ihm vor, er könne zu wenig integrieren. Hahn weiß das. Er hatte immer die Rolle des Wadenbeißers, nach außen wie nach innen. „Ich musste auch unliebsame Entscheidungen treffen“, sagt Hahn. „Das hat vielleicht auch Verletzungen hinterlassen. Aber meine Rolle wird künftig eine andere sein.“
Selbst in CDU-Kreisen hat sich der angriffslustige Oppositionspolitiker trotz aller Konflikte den Ruf eines zuverlässigen Unterhändlers erworben. Das liegt wohl auch daran, dass der Torschützenkönig und Vizepräsident des FC Landtag seit über 13 Jahren mit vielen politischen Gegnern in einer Mannschaft kickt.
Ohnehin wäre der Heinz-Florian-Oertel-Fan viel lieber Sportreporter geworden. Doch unglückliche Umstände führen ihm zum Lehrerstudium für Deutsch und Geschichte. In den Wende-tagen landet er am „Zentralen Runden Tisch“ in Berlin, im Jahr 1991 folgt das PDS-Bundesvorstandsmitglied dem Ruf als wissenschaftlicher Mitarbeiter in die sächsische Landtagsfraktion. Er geht nach Pirna, um Kreisrat zu werden. Seit 1994 ist er dort Fraktionschef – und macht früh gemeinsame Sache mit der Fraktionschefin der Freien Wähler: der Gohrischer Bürgermeisterin Katharina Grieme-Hahn, seiner heutigen Frau. Sven Heitkamp