Freie Presse Chemnitz, Seite 4, 09.07.2007
Neue Vorwürfe gegen Milbradt in der Paunsdorf-Affäre
Ex-Chef des Liegenschaftsamtes bezichtigt damaligen Finanzminister der Untätigkeit — Zweifel an Glaubwürdigkeit der Verfassungsschutz-Akten
Dresden/Chemnitz. Der Bau des sächsischen Behördenzentrums Anfang der r99oer-Jahre in Paunsdorf bei Leipzig und dessen Anmietung durch den Freistaat drängt erneut in die Öffentlichkeit. Nachdem der SPD-Landtagsabgeordnete Karl Nolle erst vor wenigen Tagen beim Generalbundesanwalt gegen den sächsischen Generalstaatsanwalt Jörg Schwalm Anzeige wegen Strafvereitelung im Amt gestellt hatte, belastet seit gestern ein neuer Eintrag auf der Internetseite des Buchautors Jürgen Roth („Anklage unerwünscht") Sachsens Ministerpräsi-
dent Georg Milbradt (CDU).
Roth zitiert aus einem Interview mit dem früheren Leiter des Staatlichen Liegenschaftsamtes Sachsen, Norbert Steiner. Dieser stützt darin die Version, wonach bei der Anmietung des Behördenzentrums unzulässiger Einfluss durch den früheren Ministerpräsidenten Kurt Biedenkopf (CDU) und weitere hochrangige Staatsbedienstete genommen wurde. Der Investor war ein enger Freund des früheren Ministerpräsidenten. Steiner will auch den damaligen Finanzminister Milbradt auf angeblichen Betrug aufmerksam ge-
macht haben. Dieser habe aber nicht reagiert.
Auf die Frage von Roth, weshalb Steiner im Untersuchungsausschuss zur Paunsdorf-Affäre nicht schon alles gesagt habe, verwies dieser auf angebliche Morddrohungen. „Die CDU hat seinerzeit versucht, Herrn Steiner als skurril und unglaubwürdig hinzustellen", so Karl Nolle, der für die SPD im Untersuchungsausschuss saß. Er halte Steiner für glaubwürdig und will, dass er auch beim geplanten Untersuchungssausschuss zur Korruptionsaffäre in Sachsen gehört wird.
Diese soll nach einem Bericht des Nachrichtenmagazins „Focus" allerdings weitgehend auf Aktenmanipulationen einer Dresdner Verfassungsschutz-Beamtin beruhen. Der Verfassungsschutz ermittle intern gegen Sabine H.. Sie stehe in Verdacht, Dossiers, die auf Informationen des Kriminalhauptkommissars Georg W. basierten, zusätzlich „aufgepeppt" zu haben. Sie soll ihren Vorgesetzten suggeriert haben, eine zusätzliche Quelle bestätige die Protokolle. Bei dem angeblich neutralen Informanten soll es sich aber um Georg W. selbst handeln.
Klaus Bartl, rechtspolitischer Sprecher der Linkspartei im sächsischen Landtag, wies diese Darstellung gestern energisch zurück. Auf den Angaben von Georg W. beruhten lediglich fünf Prozent des brisanten Aktenmaterials. Es gehe offenbar darum, Leute, die aufklären wollten, „durch Rufmord zu denunzieren". Vor zwei Wochen war Bartl mit dem zuständigen „Focus"-Redakteur bei einer Podiumsdiskussion zur Korruptionsaffäre in Chemnitz aneinander geraten, weil dieser angebliche Mafiastrukturen in Sachsen anzweifelte. (ULI/oha/ddp)