Karl Nolle, MdL

Agenturen ddp-lsc, 17:05 Uhr, 09.07.2007

«Auch wegen Lafontaine» - Sachsens SPD-Fraktionsgeschäftsführer wechselt zur Linken

 
Berlin/Dresden (ddp-lsc). Seinen 55. Geburtstag hatte sich Leo Schmitt anders vorgestellt. Statt Blumen zu bekommen schrieb der Sozialdemokrat am Sonntag in Dresden seinen Abschiedsbrief - seinen Abschied als langjähriges SPD-Mitglied und seinen Abschied als Geschäftsführer der sächsischen SPD-Landtagsfraktion. Am Donnerstag will der gebürtige Saarländer in die neue Linke eintreten, öffentlichkeitswirksam im Bürgerbüro des früheren SPD-Chefs Oskar Lafontaine in Saarlouis.

«Nach fast 36 Jahren fällt der Abschied von der SPD nicht leicht», sagt Schmitt am Montag im Karl-Liebknecht-Haus in Berlin, der Parteizentrale der Linken. Das klingt nach Lafontaine, der 2005 seiner Partei nach 39 Jahren den Rücken kehrte. Heute hat der im Liebknecht-Haus sein Büro als neuer Parteivorsitzender. Schmitt, der Lafontaine auch aus seiner 19-jährigen Tätigkeit als saarländischer Landtagsabgeordneter bis 1999 gut kennt, macht kein Hehl daraus, dass er «auch wegen Lafontaine» wechselt.

Die Korruptionsaffäre habe mit dem Schritt zur Linken «nichts zu tun», versichert Schmitt, der seit dem Jahr 2000 Fraktionsgeschäftsführer der SPD im Landtag war. «Dieser Prozess hat schon 1998 begonnen.» Damals sei die Sozialdemokratie für eine neue Vermögenssteuer eingetreten - nach der Wahl sei das Versprechen vergessen gewesen. Ähnlich unglaubwürdig habe die SPD 2002 bei der Zusammenlegung der Arbeitslosen- mit der Sozialhilfe oder bei der Mehrwertsteuererhöhung agiert, beschwert sich der enttäuschte Sozialdemokrat.

Von der Linken erhofft sich Schmitt «politische Alternativen» - eine persönliche ist ihm schon sicher. Nach seinem dreiwöchigen Urlaub kann er mit einem Arbeitsvertrag der Links-Fraktion im Bundestag rechnen. Hier soll der Ex-Sozialdemokrat zusammen mit einstigen Genossen wie Ulrich Maurer die Bund-Länder-Koordination der neuen linken Partei vorantreiben. Für die hatte Maurer auf dem Gründungsparteitag das ehrgeizige Ziel ausgegeben, die Mitgliederzahlen bis 2009 wenigstens zu verdoppeln. Ende 2006 waren 7257 West-Genossen bei der Linkspartei.PDS registriert.

Was vor drei Wochen utopisch klang, erscheint heute in der Berliner Parteizentrale nicht mehr ganz so abwegig. Innerhalb weniger Tage nach der Parteineugründung, so sagt Maurer, habe die Linke fast 3000 Eintritte «überwiegend in Westdeutschland» erlebt. Schmitt - Gegner der Rente mit 67 oder des Afghanistan-Einsatzes der Bundeswehr - will am Donnerstag offiziell folgen.

Für Maurer ist der Saarländer Schmitt daher kein Einzelfall - eher die Spitze des Eisberges: «Wenn die SPD-Führung weiter gegen den Willen der Basis und weiter gegen den Willen der Wähler handelt, wird sie erleben, dass Sozialdemokraten, die sich den Werten der Partei verpflichtet fühlen, die SPD verlassen.»

In Sachsen erfährt der linke SPD-Flügel durch den Schmitt-Schritt eine erneute Schwächung. Schon über den Wechsel von Ex-Wirtschaftsstaatssekretär Christoph Habermann in das Arbeitsministerium nach Rheinland-Pfalz hatte Koalitionspartner CDU insgeheim frohlockt. Nun fordert Generalsekretär Michael Kretschmer eine klare Abgrenzung der SPD von der Linken. «Es wäre gut, wenn Herr Schmitt der einzige in der SPD wäre, der im Kopf eher bei der PDS als in seiner eigenen Partei ist.» Er fürchte allerdings, dass dies nicht so sei.

SPD-Linksaußen Kal Nolle fordert auch einen Kurswechsel der SPD
- aber einen anderen als Kretschmer. Er stehe "als linker Sozialdemokrat dafür, das Original zu stärken und nicht die Kopie». Die Frage sei jedoch, «was realistischer ist: dass die SPD wieder sozialdemokratisch wird oder die Kommunisten demokratisch werden». Dies bleibe «abzuwarten», sagte der 62-Jährige auf die Frage nach einem eigenen Parteiwechsel.
Von den ddp-Korrespondenten André Spangenberg und Tino Moritz

ddp/spa/muc
091705 Jul 07

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