Freie Presse Chemnitz, 13.07.2007
Verhakte Szene: Im Streit um Untersuchungsausschuss können alle verlieren
Kommentar von Hubert Kemper
Streits in der sächsischen Koalition sind bereits Normalzustand. Deswegen würde es erstaunen, wenn CDU und SPD beim Thema Untersuchungsausschuss einer Meinung wären. Doch der jüngste Konflikt birgt Sprengstoff, dessen Explosionsgefahr über die routinierten Kraftmeiereien hinausgehen.
Die Lunte haben beide Partner gelegt. Die SPD will den Ausschuss nicht an verfassungsrechtlichen Bedenken scheitern lassen, die CDU notfalls ja. Im Vorfeld ihres Parteitages stehen die Genossen unter Druck. Die Basis fordert eine schnelle parlamentarische Untersuchung. Ein Nachgeben soll es diesmal nicht geben.
Unionschef Georg Milbradt hat bis zu seinem Wiederwahltermin am r 5. September Zeit. Bis dahin, so sein Kalkül, könnte die Justiz erstes Licht ins Dunkel gebracht haben. Milbradts Spekulation ist kaltschnäuzig. Um den Ausschuss auf einen kompakten Auftrag mit kurzer Untersuchungsdauer zu stauchen, benötigt er die Geschlossenheit seiner Fraktion und muss den Unmut der irritierten Öffentlichkeit ertragen. Der Preis für eine Bestätigung rechtlicher Bedenken durch das Verfassungsgericht ist hoch. Dies wäre der drohende Bruch der Koalition und die politische Ausbeutung der Verweigerung des Minderheitenrechts durch die Opposition.
Dabei dürfte der dickköpfige Milbradt mit den ersten Erfolgen seines verspäteten Eingreifens durchaus zufrieden sein. Personelle Konsequenzen zeigen Wirkung, das Ausmaß der Affäre findet eine differenziertere Betrachtung, und die Landtagsjuristen bestätigten seine Einwände. Das wiederum zwingt das Bündnis aus Linksfraktion, FDP und Grüne zum Einlenken: Will es den Ausschuss sofort einsetzen und nicht vom Verfassungsgericht zurückgepfiffen werden, muss es den Auftrag neu formulieren. Das kostet Zeit und verlangt verbale Kletterkünste, um nach der Beschimpfung der Gutachter von den Bäumen zu steigen.
Politik wird sich auch in den nächsten Tagen als Kunst des Machbaren erweisen müssen. Das gilt für SPD-Chef Thomas Jurk, der seinem Anhang jeden Verdacht taktischer Verzögerung nehmen muss. Das gilt für Georg Milbradt, der mit starrer Ablehnung eines Ausschusses unnötigen politischen Flurschaden verursachen würde. Und das gilt für die Opposition, die sich bewegen muss, wenn sie nicht mit leeren Händen dastehen will. So dürften sich die Kontrahenten aufeinander zu bewegen und einen Untersuchungsausschuss einsetzen. Eine Klage bleibt Milbradt unbenommen.