Agenturen, ddp-lsc, 17:46 Uhr, 20.07.2007
Milbradt zweifelt am Sinn des Untersuchungsausschusses
Opposition wirft ihm Täuschung der Öffentlichkeit vor - Gremium tagt Freitag
Dresden (ddp-lsc). Sachsens Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) sorgt mit seiner anhaltenden Kritik an der Einsetzung des parlamentarischen Untersuchungsausschusses zur Korruptionsaffäre für Wirbel. Er glaube, dass die Ermittlungsbehörden schneller arbeiteten als das Landtagsgremium, sagte Milbradt. Die Opposition warf ihm daraufhin am Freitag «peinliches Nachtreten» vor.
Das SPD-Ausschussmitglied Karl Nolle sprach von «mangelnder Souveränität» Milbradts. Ausschusschef Klaus Bartl (Linke) berief unterdessen die erste Sitzung des Gremiums für Freitag kommender Woche ein.
Der Landtag hatte am Donnerstag mit den Stimmen der Opposition den Untersuchungsausschuss eingesetzt. Das Gremium soll laut Antrag von Linker, FDP und Grünen die Verantwortung von Mitgliedern der Staatsregierung für etwaige schwerwiegende Mängel bei der Bekämpfung von «kriminellen und korruptiven Netzwerken» untersuchen.
Milbradt hatte bereits am Donnerstag betont, dass er von dem Gremium «relativ wenig» erwarte. Er gehe davon aus, dass die Ermittler bei der Staatsanwaltschaft und auch die Teams externer Experten bei Polizei und Verfassungsschutz bis zum Herbst Ergebnisse vorlegen werden. Der Ausschuss werde voraussichtlich erst im September oder Oktober seine Arbeit effektiv aufnehmen können. Die Ergebnisse der Ermittlungsbehörden könnten bereits vorher zeigen, dass ein Großteil der im Antrag zum Untersuchungsausschuss enthaltenen Vorwürfe gegenstandslos sei.
Bartl kritisierte, Milbradt habe offenkundig nicht begriffen, dass sich Staatsanwälte und Gerichte mit strafrechtlicher individueller Verantwortung, Untersuchungsausschüsse hingegen mit struktureller politischer Verantwortung zu befassen hätten. Justizminister Geert Mackenroth (CDU) warf der Linken daraufhin mangelnde Logik vor. Ohne die Feststellung individueller Verantwortlichkeit könne es keine Feststellung struktureller Verantwortlichkeit geben.
Nach Ansicht des FDP-Rechtsexperten Jürgen Martens versucht Milbradt, die Öffentlichkeit «hinters Licht zu führen». Der Ausschuss könne und wolle «keine Ersatz-Justiz» sein. Grünen-Fraktionschefin Antje Hermenau nannte Milbradts «Nachtreten peinlich». Er sei ein «schlechter Verlierer». U-Ausschüsse seien parlamentarische Normalität.
Bartl will wegen der «Verschleppung» der Übergabe von Akten des Verfassungsschutzes an die Staatsanwaltschaft sowohl Innenminister Albrecht Buttolo (CDU) als auch Justizminister Mackenroth im Ausschuss vorladen. Den entsprechenden Antrag der Linken wird das Gremium am Freitag voraussichtlich lediglich zur Kenntnis nehmen. Die Aussagen der Minister sind dann frühestens im Herbst zu erwarten. In der Affäre geht es um angebliche Verbindungen sächsischer Politiker und Justizbeamter zum organisierten Verbrechen.
(Quellen: Bartl und Nolle auf Anfrage; Milbradt in der «Financial Times Deutschland» und vor Journalisten in Dresden; alle anderen in Mitteilungen)
Von Tino Moritz
ddp/tmo/pon
201746 Jul 07