Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 27.07.2007

„Mit mir gibt es keine Tricksereien“

Klaus Bartl, Vorsitzender im Korruptionsausschuss, will Ende August erste Zeugen vernehmen, sagte er im SZ-Gespräch.
 
Herr Bartl, wann wird der Untersuchungsausschuss zur Korruptionsaffäre mit seiner Arbeit beginnen?

Wenn der Ausschuss heute über die ersten Beweisanträge entscheidet, könnten wir Ende August schon die ersten Zeugen vernehmen.

Wer sind die ersten Zeugen?

Das entscheiden die Ausschussmitglieder. Mir scheint es am dringlichsten, Innenminister Buttolo und Justizminister Mackenroth zu vernehmen. Und zwar deshalb, um zu klären, ob beide die Voraussetzungen dafür geschaffen haben, dass die Staatsanwaltschaft unbeeinflusst und ungehindert arbeiten kann. Hat zum Beispiel das Landesamt für Verfassungsschutz der Justiz alle Unterlagen über Organisierte Kriminalität übergeben?

Wird der Untersuchungsausschuss wirklich erst am Ende der Legislaturperiode 2009 zu einem Ergebnis kommen?

Wenn wir uns länger mit formellen Fragen aufhalten müssen, werden wir die zwei Jahre brauchen. Wenn wir aber konzentriert an die Sache herangehen und rasch alle Beweismittel bekommen, ohne jedes Mal zum Verfassungsgericht laufen zu müssen, können wir in einem oder anderthalb Jahren fertig sein. Es kommt im Wesentlichen darauf an, ob die Mehrheit im Untersuchungsausschuss konstruktiv mitarbeitet oder ob sie aus Sorge, der Ausschuss könnte Substanzielles herausfinden, auf Zeit spielt. Ich will so rasch wie möglich handfeste Ergebnisse bekommen. Dass es in Sachsen kriminelle Netzwerke gibt, halte ich für kein Gerücht.

Was sind die Schwerpunkte des Untersuchungsausschusses?

Erstens: Wann und was hat die Regierung über die Korruptionsvorwürfe gegen einzelne Richter, Staatsanwälte und Polizeibeamte erfahren? Zweitens: Warum sind die Erkenntnisse des Verfassungsschutzes nicht früher an die Justiz übermittelt worden? Drittens: War gewährleistet, dass der Landtag alle Informationen erhalten hat? Viertens: Hat die Regierung alles getan, um die Bildung krimineller Netzwerke zu verhindern? Fünftens: Was hat die Regierung unternommen, um nach Bekanntwerden der Affäre Schaden vom Freistaat abzuwenden?

Können Behörden oder Ministerien Zeugenaussagen verhindern, indem sie ihren Mitarbeitern keine oder nur eingeschränkte Aussagegenehmigungen erteilen?

Ein Grund dafür, warum ich Vorsitzender dieses Untersuchungsausschusses werden wollte, ist meine Berufserfahrung als Rechtsanwalt. Der Ausschussvorsitzende muss in diesem Fall ein Jurist sein. Er sollte etwas von der Strafprozessordnung verstehen, Vernehmungen leiten können und wissen, wie er reagieren muss, wenn mit der Aussagegenehmigung getrickst wird. Mit mir als Vorsitzenden wird es keine Tricksereien geben. Und wenn eine Behörde ihre Unterlagen nicht herausrückt, gehen wir eben zum Amtsrichter und besorgen uns einen Durchsuchungsbeschluss oder eine Beschlagnahme-Anordnung. Es geht hier schließlich um die Aufklärung krimineller Netze und die Verantwortung der Regierung. Dass deren Neigung, kooperativ zu sein, nicht besonders ausgeprägt ist, überrascht mich nicht. Ich werde selbstverständlich darauf drängen, das komplette rechtliche Instrumentarium anzuwenden, das zur Verfügung steht.

Wird der Verfassungsschutz dem Untersuchungsausschuss alle Akten über Organisierte Kriminalität zur Verfügung stellen?

Um bewerten zu können, ob es in Sachsen Organisierte Kriminalität gibt, muss ich die Akten lesen können, jedenfalls all die Aktenteile, die das Landesamt für Verfassungsschutz nach dem Beschluss der Parlamentarischen Kontrollkommission hätte längst an die Staatsanwaltschaft herausgeben müssen. Und wir werden sie bekommen – notfalls gehen wir zum Verfassungsgericht. Den Untersuchungsausschuss gibt es doch nur, weil der Verfassungsschutz nicht rechtzeitig die Justiz eingeschaltet hat. Die Aufklärung wird nun nicht an den Kosten für das Kopieren von 15 000 Blatt Papier scheitern.

Die CDU wirft Ihnen vor, eine Doppelrolle zu spielen. Sie waren der Rechtsanwalt von zwei Zeugen, die im Untersuchungsausschuss eine wichtige Rolle spielen könnten. Wer sind diese Zeugen und welche Rolle spielen sie in der Korruptionsaffäre?

Der eine mögliche Zeuge ist der Leipziger Kriminalbeamte Georg Wehling, der gegen Organisierte Kriminalität ermittelt hat. Wehling ist von Vorgesetzten zu Unrecht mit Strafverfahren überzogen worden, um ihn – nach meiner Überzeugung – als Ermittler auszuschalten. Als er versucht hat, sich dagegen zu wehren, habe ich ihn vor Gericht anwaltlich betreut. Die zweite Zeugin ist die Sekretärin des Leipziger Immobilienmanagers Martin Klockzin. Sie ist persönlich bedroht worden, weil sie in der Affäre aussagen wollte. Ich war ihr Zeugenbeistand bei der Polizei und in einem Gerichtsverfahren gegen Klockzin.

Ist es nicht anrüchig, wenn Sie trotz dieser Beziehungen zu Beteiligten als neutraler Ausschussvorsitzender Aufklärungsarbeit betreiben wollen?

Ich verstehe die Frage. Aber vor Gericht kommt es durchaus vor, dass ein Angeklagter zweimal demselben Richter gegenübersitzt, ohne dass deswegen Befangenheit vorliegt. Ich war Anwalt von Opfern, und nicht von Tätern, die sich wegen Korruption verantworten müssen. Ich bin doch nicht befangen, weil ich über mehr Informationen verfüge als andere. Eines gebe ich gern zu Protokoll: Wenn Wehling als Zeuge kommt, habe ich kein Problem damit, während seiner Aussage die Sitzungsleitung abzugeben.

Es wird auch behauptet, dass Sie die frühere Referatsleiterin „Organisierte Kriminalität“ beim Verfassungsschutz persönlich kennen. Sie waren in den 80er Jahren Abteilungsleiter Staat und Recht bei der SED-Bezirksleitung, die Verfassungsschutzbeamtin war damals Staatsanwältin. Haben Sie mit ihr zusammen die Affäre ins Rollen gebracht?

Ich kann gern an Eides statt versichern: Ich habe die Dame zu DDR-Zeiten nicht gekannt und war auch nicht ihr Vorgesetzter, wie kolportiert wird. Wir haben uns kennengelernt in den 90er Jahren, als sie Staatsanwältin in einem großen Kinderschänder-Prozess war und ich einen der Angeklagten verteidigt habe. Alles andere ist Quatsch.

Gespräch: Karin Schlottmann

Karl Nolle im Webseitentest
der Landtagsabgeordneten: