DNN/LVZ, 27.07.2007
Fänger und Befangene
Vor U-Ausschuss-Tagung liegen Nerven blank
Dresden. Das Hauen und Stechen begann gleich nach der entscheidenden Abstimmung im Landtag. Es war Donnerstagabend vergangene Woche, gerade war Klaus Bartl, der heimliche Fraktionschef der Linken, zum neuen Chef des Untersuchungsausschusses in der Korruptionsaffäre gewählt worden. Da verkündete der gelernte Jurist, er wolle bereits am kommenden Tag zur ersten Sitzung des Kontrollgremiums laden. CDU-Abgeordnete schüttelten mit dem Kopf, Worte wie „Klamauk“ und „DDR-Stil“ machten die Runde. Grund war die Tatsache, dass Bartl die fünftägige Ladefrist fürs Gremium übersehen hatte. Die Einladung wurde korrigiert.
Nun tagt der Untersuchungsausschuss am heutigen Freitag das erste Mal, doch das Tauziehen geht weiter. Die Neuauflage des alten Streits zwischen Opposition und – vor allem – dem CDU-Lager in der Regierung lautet: Bartl, der Chemnitzer mit der Stasi-Vergangenheit, spiele eine „dubiose Doppelrolle“, so CDU-Fraktionschef Fritz Hähle. Der linke Chefankläger sei befangen. Hintergrund dafür ist, dass Bartl gleich zwei potenzielle Hauptzeugen im U-Ausschuss zuvor als Anwalt vertreten hatte: Georg W., den ehemaligen Kripo-Ermittler aus Leipzig mit Kontakten zum Verfassungsschutz, sowie eine Leipziger Ex-Sekretärin aus der Immobilienbranche.
Das ist für die CDU inakzeptabel. Es dränge sich der Eindruck auf, Bartl habe damit den „vermeintlich aufzuklärenden Missstand selbst mit initiiert“, sagte Hähle. „Wer so agiert, kann nicht Mitglied oder gar Vorsitzender eines U-Ausschusses in gleicher Sache sein.“ Rückendeckung erhielt er von FDP-Mann Jürgen Martens, der meinte, Bartl sei in der DDR eine der „Hauptstützen des Systems“ gewesen, und schließlich mischte sich auch noch Ex-Innenminister Heinz Eggert (CDU) ein.
Damit war das Szenario eröffnet, denn Bartl schlug zurück. Erst wies er per vierseitiger Mitteilung alle Vorwürfe zurück („Altbekanntes aufgewärmt und mit Lügen gewürzt), dann ging er die Union frontal an. Tenor: Die CDU versuche, die Arbeit eines missliebigen Ausschusses zu blockieren; „dieser Dreck wird an ihr selbst hängen bleiben“.
Dieser beinharte Wettstreit um Fänger und Befangene lässt nicht nur für die Arbeit im Ausschuss Schlimmes befürchten. Er ist auch Indiz dafür, dass bei manchem die Nerven blank liegen. Nicht zuletzt das Verhalten von Heinz Eggert erscheint erklärungsbedürftig. So sprach sich der Ex-Innenminister erst in einem Interview für den Ausschuss aus, als die gesamte Union eben dies noch ablehnte. Dann, als die CDU das Gremium im Landtag zähneknirschend akzeptierte, stimmte er als einziger Unionschrist dagegen – um sich wenige Stunden später als Mitglied dann doch in den Ausschuss wählen zu lassen. Begründung: Er wolle sich dafür einsetzen, dass das Gremium auf juristisch sauberen Füßen steht. Denn: „Sollte jemand vor dem Ausschuss lügen, müsste eine gerichtliche Verfolgung möglich sein.“
Bartl hält diese Argumentation für „dreist“. Er wirft Eggert vor, eigene Interessen zu verfolgen und somit selbst befangen zu sein. Im Kern geht es dabei um Simone H., jene ehemalige Staatsanwältin aus Dresden, die das Referat zur Organisierten Kriminalität (OK) beim Verfassungsschutz bis zu dessen Auflösung 2006 geleitet hatte. Hier schwant Eggert offenbar Übles. Denn H. hat auch schon früher ermittelt – in den 90er Jahren, gegen den CDU-Mann persönlich.
Jürgen Kochinke