Karl Nolle, MdL

Welt-online, 09:52 Uhr, 16.08.2007

Fünf Jahre Hartz IV

Kinderarmut in Deutschland auf Höchststand
 
Rund 17 Prozent aller deutschen Kinder leben in Familien, die Hartz-IV-Leistungen erhalten. Besonders Alleinerziehende drohen zu verarmen. SPD-Sozialexperte Rudolf Dreßler nimmt seine Partei dafür hart in die Kritik und erwägt sogar, aus der SPD auszutreten.

Der SPD-Politiker Rudolf Dreßler hat seine eigene Partei für die Hartz-IV-Reformen hart kritisiert und angedeutet, dass er in die Linkspartei überwechseln könnte. „Die SPD hat mit den Grünen zusammen einen kapitalen Irrtum begangen und ist nicht bereit, diesen Irrtum in der Großen Koalition zu korrigieren“, sagte Dreßler im Deutschlandfunk. Auf die Frage des Moderators hin bestätigte er, dass er sich dem Linken-Chef Oskar Lafontaine näher fühle als dem SPD-Vorsitzenden Kurt Beck. Dreßler saß von 1980 bis 2000 für die SPD im Bundestag und war unter Helmut Schmidt Staatssekretär im Arbeitsministerium.

Dreßler kritisierte, dass zwar die Arbeitslosigkeit seit den Hartz-Reformen gesenkt, aber Armut nicht überwunden worden sei. „Da ist Handlungsbedarf für die Politik gegeben, und genau dieser Handlungsbedarf wird von der Großen Koalition nicht wahrgenommen“, sagte der Arbeitsmarktexperte. Auch von der Opposition vermisse er Alternativen.

Besonders Kinder seien von Armut bedroht, mahnte Dreßler weiter. Hartz-IV-Familien würden ihre Kinder zunehmend nicht mehr auf Ganztagsschulen schicken, weil sie die Kosten für das Mittagessen nicht mehr aufbringen können, berichtete der Politiker.

Nach einem Bericht des Bremer Instituts für Arbeitsmarktforschung und Jugendberufshilfe (BIAJ) hat die Zahl der Kinder, deren Familien mit Arbeitslosengeld II auskommen müssen, einen Höchststand erreicht. Nach Angaben des Instituts leben inzwischen 1,929 Millionen Kinder in Hartz-IV-Familien. Das sind rund 17 Prozent der 11,5 Millionen Kinder in Deutschland. Im vergangenen Jahr hatte die Zahl armer Kinder bei 16 Prozent gelegen.

Experten erklären sich den Anstieg damit, dass Hartz IV ein erhebliches Armutsrisiko darstelle. „Kinder sind die Hauptleidtragenden“, sagte der Kölner Armutsforscher Christoph Butterwegge der „Frankfurter Rundschau“. Die konjunkturelle Belebung des Arbeitsmarkts gehe vor allem an alleinerziehenden Müttern vorbei, weil Arbeitgeber an deren flexiblen Einsatz zweifelten. Auch nach Ansicht des Deutschen Gewerkschaftsbunds erhöht Hartz IV die Gefahr, dass betroffene Familien in die Armut abrutschen.

Karl Nolle im Webseitentest
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