Karl Nolle, MdL

DIE WELT online, 10:10 Uhr, 19.08.2007

Risikogeschäfte: Hypothekenkrise erwischt zweite deutsche Bank

Nur eine spektakuläre Rettungsaktion hat das Überleben der Sachsen LB gesichert.
 
Nach der Düsseldorfer IKB hat die Finanzkrise eine zweite deutsche Bank an den Rand des Abgrunds gebracht: Nur eine spektakuläre Rettungsaktion hat das Überleben der SachsenLB gesichert. Die Sparkassen-Finanzgruppe musste der Bank mit mehr als 17 Milliarden Euro beiseite springen.

Die Leipziger Sachsen LB ist durch ihre Geschäfte mit US-Hypothekenkrediten in eine ernste Schieflage geraten. Damit die Landesbank nicht zahlungsunfähig, wird, haben die deutschen Sparkassen eine Kreditlinie im Volumen von 17,3 Mrd. Euro zur Verfügung gestellt. Vorangegangen war eine Krisensitzung bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) mit dem Vorstand der Sachsen LB und dem Deutschen Sparkassen- und Giroverband (DSGV). Danach teilte die Sachsen LB am Freitagabend mit, dass infolge des Engagements einer Tochtergesellschaft im US-Hypothekenmarkt die „Bonität der Sachsen LB in Frage gestellt“ sei. Wie viel von den zur Verfügung gestellten Finanzmitteln der Sparkassen durch die Leipziger nun in Anspruch genommen werden müssen, ist offen.

Die gigantische Summe von 17,3 Mrd. Euro entspricht dem Gesamtwert der Sachsen LB-Tochter „Ormond Quay“, einer in Dublin angesiedelten Investmentgesellschaft. Diese ist wegen Verpflichtungen aus einem US-Fonds in ernste Zahlungsschwierigkeiten geraten, für die der Mutterkonzern einstehen muss. Dieser Fonds nahm auch Hypothekendarlehen von US-Bürgern auf. Weil ein Großteil der Kreditnehmer ihre Darlehen aber nicht mehr bedienen kann, verlieren die darauf aufbauenden Wertpapiere immer mehr an Wert.

Ähnlich war es vor etwa drei Wochen der Düsseldorfer Mittelstandsbank IKB ergangen: Durch Fehlspekulationen auf dem US-Hypothekenmarkt drohten Milliarden-Verluste. Die staatseigene Förderbank KfW, die mit 38 Prozent an der IKB beteiligt ist, hatte daraufhin eine Liquiditätslinie von 8,1 Mrd. Euro übernommen. Die Sachsen LB geriet durch die von ihrer Tochter Sachsen LB Europe verwaltete Gesellschaft „Ormond Quay“ – benannt nach dem Firmensitz in der gleichnamigen Dubliner Straße – in ernste Bedrängnis. „Ormond Quay“ leiht sich immer wieder kurzfristig Geld und kauft dafür langfristige Schulden anderer. Üblicherweise werden diese Schulden irgendwann bezahlt oder lassen sich weiterverkaufen. Klappt der Kreislauf, lassen sich so höhere Renditen erzielen als bei herkömmlichen Bankgeschäften. Die 2004 ins Leben gerufene „Ormond Quay“ hat nach Angaben der Sachsen LB ausschließlich in Papiere investiert, die mit dem sehr guten Rating „AAA“ eingestuft sind, also als ausfallsicher gelten.

Die Krise auf den Finanzmärkten führte aber dazu, dass auch solche Papiere keine Abnehmer mehr finden. „Es handelt sich um ein temporäres Problem“, wiegelte Bank-Sprecher Frank Steinmeyer am Sonnabend ab. Die entsprechenden Papiere hätten von den Ratingagenturen beste Noten bekommen. Hintergrund sei die „anhaltende Marktstörung“ beim Absatz von verbrieften Krediten. Mit dem Milliarden-Kredit der Sparkassen könne die Landesbank ihre Finanzierungsverpflichtungen jederzeit erfüllen. Vor gut einer Woche hatte das Institut noch alle Berichte über Probleme im Zusammenhang mit der Immobilienkrise zurückgewiesen. Gestern beteuerte der Banksprecher, sein Haus müsse auch keinen erhöhten Wertberichtigungsbedarf ausweisen. Das Jahresergebnis der Bank werde allerdings belastet. Laut Sachsens Finanzminister Horst Metz (CDU) besteht für die Sachsen LB kein Insolvenzrisiko. „Wir hatten ein Liquiditätsproblem, und das ist dauerhaft und nachhaltig gelöst“, sagte er.

Nach WELT-ONLINE-Informationen hatte Kurt Biedenkopf (CDU) seinen Nachfolger als Ministerpräsident, Georg Milbradt (CDU), vor den riskanten Geschäften der Irland-Tochter der Landesbank gewarnt. Ein Finanzexperte sagte, die SachsenLB drehe in Dublin „ein größeres Rad als die Deutsche Bank“.

Der wirtschaftspolitsche Sprecher der SPD-Fraktion und Mitglied des SachsenLB-Untersuchungsausschusses Karl Nolle sagte: „Das Desaster wird nur kryptisch umschrieben. Deshalb kennen wir das ganze Ausmaß des Skandals noch nicht.“ Für die 17,3 Mrd. Euro müssten Zinsen gezahlt werden. Die seien wesentlich höher als die Zinsmarge der betroffenen Papiere, so Nolle. Er verweist darauf, dass die jetzt zur Verfügung gestellte Liquidität höher ist als das Haushaltsvolumen des Freistaates in Höhe von 15 Mrd. Euro. Die Dubliner Tochter würde außerhalb der Bilanz auf Geschäfte im Volumen von 50 Mrd. Euro betreiben. Im Jahr 2004 waren es erst gut 30 Mrd. Euro. Noch im März hatte ein Gutachten die Risiken des Dublin-Geschäfts als gering eingestuft.

Auch Sparkassen selbst sind betroffen

Erstmals hat auch eine deutsche Sparkasse eingeräumt, im krisengeschüttelten US-Hypothekenmarkt direkt engagiert zu sein. „Wir verfügen in kleinerem Umfang über Investments, die von der Lage am US-Markt betroffen sind“, sagte ein Sprecher der Sparkasse Köln Bonn, der zweitgrößten deutschen Sparkasse. Aus den Investments ergebe sich „ein geringer Bedarf an Wertberichtigungen“, betonte er. „Wir müssen uns keine Sorgen machen.“ Konkrete Summen wollte er aber nicht nennen. Im Lager der Sparkassen hieß es, die Lage des Instituts sei aber „bei weitem nicht dramatisch“. In einigen Fällen sei die Sparkasse KölnBonn direkt am US-Subprime-Markt investiert, sagte der Sprecher des Instituts. Für andere Investments gelte dies „nur mittelbar“. Alle Engagements seien in der Bilanz der Bank erfasst. Westfälische Sparkassen scheinen dagegen nicht im riskanten US-Hypothekenmarkt investiert zu sein. „Mir ist kein „Engagement bekannt“, sagte ein Sprecher des Regionalverbandes WLSGV. Engagements im US-Kreditmarkt hatten unter den deutschen Geldhäusern unter anderem auch die WestLB und die Postbank eingeräumt. Der Rhineland-Fonds der Mittelstandsbank IKB hatte sich am US-Hypothekenmarkt verspekuliert und das ganze Institut ins Schlingern gebracht. Dies hatte den Großaktionär KfW zum Eingreifen gezwungen. In Sparkassen-Kreisen hieß es indes, das Engagement der Sparkasse KölnBonn sei damit in keiner Weise vergleichbar. Konkrete Summen wurden indes auch hier nicht genannt.

Steinbrück für Fusion von Landesbanken

Unterdessen hats sich Bundesfinanzminister Peer Steinbrück für eine Fusion der WestLB und der Landesbank Baden-Württemberg ausgesprochen. Er würde es „sehr begrüßen, wenn durch eine Konsolidierung auf Landesbankenebene ein Institut entstünde, das in der Champions League mitspielen kann“, sagte der SPD-Politiker der „Frankfurter Rundschau“. Der deutsche Finanzmarkt sei „im internationalen Maßstab sehr vielfältig und kleinteilig“. Dies habe auch Nachteile. „Wir könnten einen weiteren großen Anbieter neben der Deutschen Bank und Commerzbank gut vertragen“, sagte der frühere Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen. Die nordrhein-westfälische Landesregierung als größter Aktionär der krisengeschüttelten WestLB hatte am Donnerstag erstmals öffentlich erklärt, die Option einer Fusion mit der LBBW nicht auszuschließen. Das Land will seinen Anteil von 38 Prozent an der WestLB verkaufen. Finanzminister Helmut Linssen zufolge ist aber noch völlig offen, ob sich das Land komplett von der Landesbank-Beteiligung treffen werde. Die Eigentümer der LBBW stehen geschlossen hinter einer Übernahme der WestLB.
Von Uwe Müller und Norbert Schwaldt

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