Sächsische Zeitung, 20.08.2007
US-Debakel bringt Banker in die Bredouille
Die Landesbank Sachsen ist erneut in eine schwere Krise geraten. Die SZ erklärt, wie es diesmal dazu kommen konnte.
Alles erstklassig, alles sicher. Noch vor einer Woche ließ die sächsische Landesbank mitteilen, dass die Wahrscheinlichkeit, in den Strudel der US-Immobilienkrise zu geraten, gegen Null tendiere. Nun steckt sie doch mittendrin – mit 17 Milliarden Euro.
Wo beginnt die Krise?
Die Ursache ist in den USA zu suchen. Dort haben Banken großzügig Kredite auch an solche private Bauherren gegeben, die kaum oder gar kein eigenes Kapital hatten. Viele dieser Kredite waren variabel, das heißt: Steigen die Zinsen, werden die Kredite teurer. Als genau das eintrat, konnten viele US-Bürger ihre Kredite nicht mehr bedienen. Das wiederum brachte bereits einige US-Hypothekenbanken und Fonds in Schieflage.
Wie Gelangte die Krise auf den Kapitalmarkt?
Für Banken sind Kredite zwar Vermögensgegenstände, die aber – von den Zins- und Tilgungszahlungen abgesehen – nicht gleich in voller Kredithöhe Geld in die Kassen spülen. Außerdem belasten eventuelle Kreditausfälle die Bilanz. Um dem zu entgehen, erfand die Finanzwelt ein Produkt namens „Asset Back Securities“, kurz: ABS. Diese wandeln langfristige Forderungen in festverzinsliche Wertpapiere um. Hinter den milliardenschweren ABS stecken also Kreditkartenforderungen ebenso wie Finanzierungen für gewerbliche Immobilien und normale Hypothekendarlehen. Spezialfirmen wie Standard & Poors bewerten das Risiko der ABS. Die beste Note ist AAA, was für ein äußert geringes Ausfallrisiko steht. Nach der Bewertung werden ABS auf dem Kapitalmarkt verkauft. Der Verkäufer zahlt dem Erwerber neben dem Kaufpreis einen festen Zinssatz, der um so höher ist, je riskanter das Papier ist. Als klar wurde, welches Ausmaß die US-Immobilienkrise hat, bekamen es alle Beteiligten mit der Angst zu tun. Der Handel – selbst für AAA-bewertete ABS – brach zusammen. Es gab keine Käufer mehr. Die Banken liehen sich auch kein Geld mehr, um ABS-Käufe zu finanzieren.
Was hat die Landesbank damit zu tun?
Die Landesbank Sachen ist indirekt auf dem ABS-Markt tätig. Sie hat dafür eine Banktochter in Dublin. Deren Manager gründeten zwei Spezialgesellschaften, die nichts anderes machen, als ABS zu kaufen und verkaufen. Diese Gesellschaften tragen den Namen von zwei Straßen in Dublin: Ormond Quay und Georges Quay. Die Dubliner investierten gut 17,3 Milliarden Euro in ABS. Diese gewaltige Summe haben die beiden Firmen nicht in der Portokasse. Es ist die Landesbank Sachsen in Leipzig, die die Gesellschaften mit Geld versorgt. Aber nicht mit Barem. Die Leipziger werfen dafür Schuldscheine auf den Geldmarkt. Das ist der Markt, auf dem sich die Banken untereinander Geld leihen. Die Schuldscheine heißen Commercial Papers (CP) und sind sehr kurzfristig und inklusive Zinsen zurückzuzahlen: Ihre Laufzeit liegt zwischen einem und maximal 270 Tagen. Für den Verkauf der CP erhält die Landesbank Geld, das wiederum für den ABS-Handel in Dublin bestimmt ist. Wenn Ormond und Georges Quay so finanzierte ABS-Papiere einschließlich der erhaltenen Zinsen wieder verkaufen, ist das trotz der CP-Kosten für alle Beteiligten ein gutes Geschäft.
Warum läuft das Geschäft nicht mehr?
Weil sich die Banken nach dem Debakel mit den US-Immobilienkrediten nicht mehr über den Weg trauen. Der ABS-Handel ist zusammengebrochen, weil keiner genau weiß, wie hoch der Anteil wackliger Kredite in einem ABS-Papier ist. Hinzu kommt: Obwohl keiner mehr ABS kaufen will, müssen die kurzfristig laufenden CP bezahlt werden. Bei der Landesbank sind dafür 17 Milliarden Euro notwendig – die hat sie aber nicht. Ihr Eigenkapital beträgt gerade einmal 1,5 Milliarden Euro. Hilfe in der genannten Höhe hat sie deshalb von anderen Landesbanken und dem Spezialhaus Dekabank erhalten.
Wie Hoch ist das Risiko?
Im schlimmsten Fall bleibt Dublin auf den ABS-Papieren sitzen oder wird gezwungen, sie weit unter Wert zu verkaufen. Gleichzeitig müsste die Landesbank alle kurzfristig auslaufenden CP bedienen. Die Bank versichert, dass alle ihre ABS mit der Bestnote AAA bewertet und damit verkäuflich sind, sobald sich der Markt wieder beruhigt. Wann das der Fall ist, steht derzeit jedoch in den Sternen.
Welche Finanziellen Folgen Drohen in Sachsen?
Das Magazin „Der Spiegel“ berichtet heute über drohende Verluste in Höhe von 500 Millionen Euro. Trifft das zu, erhielten sämtliche Kommunen und Landkreise, die an der Sachsen-Finanzgruppe beteiligt sind, im nächsten Jahr keine Ausschüttungen. Sachsen-LB-Sprecher Frank Steinmeyer wies den „Spiegel-Bericht“ jedoch als „aberwitzig“ zurück. Das Jahresergebnis der Bank aber werde durch den 17-Milliarden-Kredit belastet. Letztendlich kommt für jeden möglichen Schaden der Steuerzahler auf, weil die Bank nach wie vor in öffentlicher Hand ist.
Wer ist verantwortlich?
An erster Stelle ist der Vorstand der Sachsen-LB zu nennen. Der wurde 2005 neu besetzt, weil bereits der alte Vorstand intransparente Geschäfte gemacht und Sachsens Staatsregierung in eine schwere Glaubwürdigkeitskrise gestürzt hatte. Die droht nun erneut, weil beispielsweise der Finanzminister als Verwaltungsratschef die Arbeit des Sachsen-LB-Vorstands zu kontrollieren hat. Dabei ist nicht relevant, ob die Bank sich am ABS-Handel hätte beteiligen dürfen oder nicht. Die entscheidende Frage lautet vielmehr: Warum ist die Landesbank in dieser Größenordnung eingestiegen und hat als international sehr kleines Geldhaus mit Ormond Quay eine der größten ABS-Zweckgesellschaften der Welt gegründet?
Von Ulrich Wolf