Karl Nolle, MdL

Handelsblatt.com, 12:52 Uhr, 22.08.2007

Krise bei SachsenLB und IKB: Aufsichtsräte in der Kritik

 
Nach den Rettungsaktionen bei der SachsenLB und der Mittelstandsbank IKB geraten die Aufsichtsräte der betroffenen Banken zunehmend in die Kritik. Aktionärsschützer fordern eine stärkere Professionalisierung der Kontrollgremien. Die Aufseher sollen sich in Zukunft mehr Zeit nehmen und genauer hinsehen.

FRANKFURT. Corporate-Governance-Experten – also Fachleute für gute Unternehmensführung – verlangen von den Aufsichtsräten, ihre bereits vorhandenen rechtlichen Kontrollmöglichkeiten stärker auszunutzen. Die Kontrolleure selbst beklagen, dass ihre Aufgabe wegen der neuen Finanzinstrumente schwieriger geworden sei.

Aktionärsschützer Jürgen Kurz von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) befürchtet, dass die Aufsichtsräte in der aktuellen Krise überfordert gewesen seien. „Wenn selbst die Finanzaufseher von der BaFin und der Bundesbank bei den betroffenen Banken keine gravierenden Risiken festgestellt haben, wie sollten das dann die Aufsichtsräte sehen“, sagt Kurz. Sie müssten sich oft auf das Zahlenmaterial verlassen, das ihnen der Vorstand vorlegt. Kurz fordert daher Berufsaufsichtsräte, die näher am operativen Geschäft sind. Ähnlich sieht das auch Reinhild Keitel, Vorstandsmitglied der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger: „Wir brauchen Leute, die sich mit den neusten Entwicklungen an den Kapitalmärkten intensiv auseinandersetzen.“

Auch Aufsichtsräte räumen Probleme ein. „Man kann schon sagen, dass es schwerer wird, diese neuen Bilanzkonstrukte zu überblicken“, sagt Jörg Reinbrecht, Sprecher für den Bereich Banken und Versicherungen bei der Gewerkschaft Verdi und selbst unter anderem im Aufsichtsrat der Allianz. Wenn Geschäfte nicht in der Bilanz stünden, der Vorstand nicht freiwillig davon erzähle und der Wirtschaftsprüfer sie nicht beanstande – wie solle dann ein Aufsichtsratsmitglied darauf stoßen, fragt er.

Christian Strenger, Aufsichtsrat bei der Fondsgesellschaft DWS, sieht mangelnde Zeit als das größte Manko: „Die Intelligenz in den Gremien ist ausreichend; es mangelt aber oft an der Intensität der Kontrolle.“ Aufsichtsräte müssten notfalls Expertise von außen anfordern, wenn sie etwas nicht verstünden. „Das gilt besonders bei neuen Aktivitäten, die außerhalb des eigentlichen Geschäftsmodells sind.“

Nur die wenigsten Aufsichtsräte sind vollberuflich im Einsatz.

Gerade bei der Besetzung der Verwaltungsräte der staatlichen oder öffentlich-rechtlichen Institute gibt es nach Ansicht von Experten Defizite. „Wenn, wie bei der SachsenLB, bei 40 Mitgliedern des Verwaltungsrates inklusive der Stellvertreter nur ein einziger Unternehmer dabei ist, ist das sicher nicht optimal“, sagt Strenger, der auch Mitglied der Corporate-Governance-Regierungskommission ist. Er fordert daher professionellere, kleinere Aufsichtsräte, weil sie „hartnäckiger nachfragen“.

Der finanzpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Jörg-Otto Spiller, sieht bei den Wirtschaftsprüfern als Hilfsorgan des Aufsichtsrates Reformbedarf: „Es scheint, die haben bei der IKB so teure wie nutzlose Arbeit geliefert.“

DWS-Aufsichtsrat Strenger sieht auch einen positiven Effekt der Krise: „In Zukunft werde die Aufseher genauer hinsehen, auch wegen der gestiegenen Haftungsrisiken.“

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Nebenberufliche Kontrolleure

Zeiteinsatz: Mit dem Argument, dass eine gründliche Arbeit der Aufsichtsräte mehr Zeit als früher verschlinge, steigern die Banken die Vergütungen ihrer Aufsichtsräte. Der 22-köpfige Aufsichtsrat der IKB beispielsweise erhielt im vergangenen Geschäftsjahr 1,15 Millionen Euro. Die Deutsche Bank zahlte ihrem Aufsichtsrat insgesamt knapp 3,4 Millionen Euro.

Besetzung: Die wenigsten Aufsichtsräte sind vollberuflich im Einsatz. Dafür, so das Argument der Firmen, sei die Vergütung zu gering. So sitzen Universitätsprofessoren, Unternehmenschefs, Arbeitnehmervertreter und Politiker in den Bankenkontrollgremien. In den Verwaltungsräten der staatlichen und öffentlich-rechtlichen Banken häufen sich Politiker und Verbandsvertreter.

Von Til Knipper

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