Karl Nolle, MdL

spiegel-online, 18:59 Uhr, 31.08.2007

Milbradts Sachsenkrise: Domino in Dresden

 
Erst ging der Chef der SachsenLB, heute kündigte Finanzminister Metz seinen Rücktritt an - in der CDU hält mancher Regierungschef Milbradt für den nächsten Wackelkandidaten. Nach Korruptionsaffäre, Brückenposse, Mügeln-Pleite und Bankenkrise ist er am Abgrund.

Hamburg - Der Ministerpräsident hörte den Worten seines Ministers ruhig zu. Mit diesem stillen, fast verschmitzten Lächeln. Finanzminister Horst Metz sprach davon, wie erleichtert er sei: "Die vergangenen Tage und Wochen gehörten zu den schwersten in meinem Leben." Bei der Aufarbeitung der Pleite der Landesbank wolle er mithelfen, sagte Metz - und kündigte dann seinen Rücktritt zum 30. September an.

"Wenn Metz geht, fällt auch Milbradt, das ist ein Dominoeffekt", sagte später ein Mitglied der CDU-Fraktion.

Seit Tagen läuft am Elbufer in der Neustadt die Katastrophen-PR auf Hochtouren, die Presseleute von CDU-Ministerpräsident Georg Milbradt nehmen kaum den Telefonhörer vom Ohr, da klingelt schon wieder das Handy.

Das geht eigentlich so, seitdem der Regierungschef vor zehn Tagen aus dem Urlaub zurückkam. Er hatte, bestens gelaunt und gut erholt, kaum die sächsische Elbe wieder überquert, da machte die Inder-Hatz von Mügeln die Runde. Milbradt fuhr sofort in die westsächsische Kleinstadt, sprach mit den Opfern - aber ausländerfeindliche Schlagzeilen bleiben immer auch am Regierungschef hängen. Dann platzte die Landesbank-Bombe. Sachsens Prestige-Haus - hochverschuldet, miserabel geführt, ahnungslos beaufsichtigt.

"Um weitere Verluste zu vermeiden" - so rechtfertigte Milbradt den Notverkauf an die Landesbank Baden-Württemberg. Gutmeinende sahen darin tatsächlich ein Zeichen von Milbradt'schen Krisenmanagement. In Wirklichkeit war es wohl seine letzte Chance, noch größeren Schaden abzuwenden. Dann trat SachsenLB- Chef Herbert Süß zurück. Und nun die Demissionsankündigung von Finanzminister Horst Metz.

Damit steht Prof. Georg Milbradt alleine im Feuer.

Jedenfalls in der Bankenpleite. Für die sächsische Korruptionsaffäre, die ihn vor seinem Urlaub so richtig ferienreif gemacht hatte, ist noch Innenminister Georg Buttolo da. Die Opposition spricht von einem mafiösen Sumpf, zudem verdächtigt sie den Verfassungsschutz, wichtige Akten geschreddert zu haben. Der langjährige Infrastruktursekretär Buttolo - von vielen als tadelloser Bau-Politiker, aber fehlbesetzter Innenminister beschrieben - wankte zwar. Aber er fiel nicht.

"Es gibt Politiker, die reden. Und solche, die handeln"

Zum Glück für Milbradt, sollte man inzwischen denken. Auch in der Posse um die Waldschlösschenbrücke kann sich der CDU-Regierungschef noch hinter anderen verstecken - der Bevölkerung. Denn seine Weigerung, den Neubau der Elbbrücke zu stoppen, erklärt Milbradt mit dem entsprechenden Volksentscheid der Dresdner. Da können Unesco, Bundesregierung und die Umweltschützer noch so laut schreien.

Der Ökonom Milbradt steht zu seinem Wort, sagt er. Und hält an dem fest, was einmal entschieden wurde. "Es gibt Politiker, die reden. Und solche, die handeln."

Möglicherweise wäre es im Fall der Landesbank angebracht gewesen, bestimmte Entscheidungen zu überdenken. Sie vielleicht sogar zu revidieren.

Es war Georg Milbradt, der als Finanzminister die Gründung der Bank vorantrieb. Aber genauso trägt der Ministerpräsident Milbradt die politische Verantwortung dafür, wie sich das Geldhaus entwickelte. Der offensichtliche Größenwahn der Sachsen-Banker, die ihre Tochter in Dublin Milliardengeschäfte über ihre Möglichkeiten machen ließen, erinnert manchen an den Regierungschef. "Der übernimmt sich", sagt der langjährige Linke-Fraktionschef im Dresdner Landtag, Peter Porsch.

Die Personalie Metz zeige wiederum, dass Milbradt "ein Feigling ist", glaubt Porsch. "Der Ministerpräsident hätte hier Verantwortung zu zeigen", sagte der Linke-Politiker SPIEGEL ONLINE. Nein, ein Befreiungsschlag sei das auf keinen Fall, "das macht es für Milbradt nur noch schlimmer".

Grünen-Fraktionschefin Antje Hermenau sieht das ähnlich, allerdings ist ihre Interpretation der Rücktrittsankündigung von Metz eine andere. "Der ist doch von Milbradt im Regen stehen gelassen worden", sagte sie SPIEGEL ONLINE. Sein Rücktritt sei eine Art Rache an Milbradt - und die könnte laut Hermenau schmerzhaft werden. Metz sei in der CDU-Fraktion sehr beliebt, sagt die Grünen-Politikerin.

"Wir Sachsen brauchen ein bisschen Freundlichkeit"

Was man wiederum vom Ministerpräsidenten nicht behaupten kann. Zu sehr hat er offensichtlich viele der eigenen Leute in den letzten 17 Jahren vor den Kopf gestoßen. Natürlich, wenige können es mit dem Universitätslehrer Milbradt aufnehmen. Aber das hat der kantige Westfale sie eben auch spüren lassen. "Wir Sachsen brauchen ein bisschen Freundlichkeit", sagt Antje Hermenau. Wahrscheinlich ist das ein größeres Problem, als es Milbradt wahrnehmen möchte

Offiziell sagt das in der CDU aber eben niemand. Die Rücktrittsforderungen der Opposition wiederum sind zwar nachvollziehbar - aber zahnlos. Und von alleine wird Milbradt nicht gehen. Er habe noch viel vor, sagt der 62-Jährige: "Sachsen an die Spitze bringen."

Die CDU-Linie stellte der sächsische Generalsekretär Michael Kretschmer gegenüber SPIEGEL ONLINE so dar: "Ich habe vor dem Rücktritt von Herrn Metz den allergrößten Respekt." Es sei ein trauriger Tag für ihn, aber auch die sächsische CDU. "Dass jetzt viel Häme von der Opposition kommt, muss man vertragen", sagt Kretschmer. Allerdings trage auch sie Mitverantwortung an dem Bankendebakel - Oppositionsvertreter säßen ebenfalls im Verwaltungsrat der Landesbank.

Ganz anders als der Ministerpräsident, der nicht Mitglied in diesem Gremium sei. Und deshalb, so der CDU-Generalsekretär, stehe ein Rücktritt des Regierungschefs völlig außer Frage. Im Landtag rechtfertigte Milbradt heute seine Rolle in der Bankenpleite.

Auch der Juniorpartner SPD steht weiter zum Ministerpräsidenten. Metz' Ankündigung sei keine Ablenkung, sondern fördere die Klarheit im Fall SachsenLB, sagte der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Martin Dulig. Was will die SPD auch tun? Sie erreichte bei den letzten Wahlen 9,8 Prozent der Stimmen - entsprechend schwächlich verhält sie sich zum Pannenkurs Milbradts der letzten Wochen.

Natürlich, Sachsen ist immer noch das Musterland im Osten. Und eines, das in punkto Wirtschaftswachstum und Bildung viele der alten Länder hinter sich gelassen hat. Daran hatte Georg Milbradt, erst als Finanzminister unter Kurt Biedenkopf, dann als Regierungschef, erheblichen Anteil. Das attestieren ihm selbst politische Gegner.

Aber reicht das aus?

Manchmal braucht man einen, der die Dominosteine ein bisschen anstößt, damit sie weiter fallen. Aber bisher ist bei der sächsischen CDU keiner in Sicht, der das Format und den Mut dazu hätte.

Die nächste Chance bietet sich in zwei Wochen. Dann will sich Georg Milbradt als Landeschef der CDU wiederwählen lassen.
Von Florian Gathmann
Mitarbeit: Severin Weiland

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