Hannoversche Algemeine, 04.09.2007
Der tiefe Fall des glanzlosen Kumpels Georg
Nach dem Notverkauf der Landesbank und mehreren Skandalen wächst die Kritik
Dresden/Hannover. Es gibt viele im spätsommerlichen Dresden, die in diesen Tagen an den alten Herrn Biedenkopf denken, den sie früher immer "den König Kurt“ nannten und zu dem man, obgleich er klein ist an Statur, immer noch heraufschaut. Als er regierte im Büro des sächsischen Ministerpräsidenten, war die Welt in Ordnung: Eindeutige politische Mehrheitsverhältnisse, rasche Klärung jeglicher Unstimmigkeiten, Einigkeit im Auftreten nach außen. Bei Hofe fand man immer Grund zum Feiern. Sachsen galt als Musterländle, und es kursierte der Spruch: "Die Stimmung ist besser als die Lage.“
Heute wird über Sachsen gesagt, die Lage sei viel besser als die Stimmung. Über die stark wachsende Wirtschaft, die geordneten Finanzen und das hervorragende Investitionsklima redet kaum jemand, die Pannen und Pleiten des glücklosen Biedenkopf-Nachfolgers Georg Milbradt hingegen geben bundesweit zu Spekulationen Anlass: Wie lange wird sich der Regierungschef noch halten? Schon werden Wetten abgeschlossen: Am 15. September steht Milbradts Wiederwahl als CDU-Landesvorsitzender an, ein herber Denkzettel im
Wahlergebnis könnte seinen Abgang befördern. "Er wird nie freiwillig gehen“, entgegnen andere, "denn er ist stur, ein sturer Westfale.“
Sturheit zeichnet ihn schon aus, nur eines aber ist Milbradt nicht, wollte er auch nie sein einer, der so königlich erhaben auftritt wie sein Vorgänger Biedenkopf. "Einen Podest hat man ihm nie errichtet, nicht mal einen kleinen“, sagt ein Insider, "dabei wünschen sich die Sachsen seit August dem Starken einen Herrscher, der auf dem Thron sitzt.“
Milbradt will Kumpel sein, bürgernah und populär. Richtig beliebt aber ist er in den fünf Jahren seiner Amtszeit nicht geworden. Im kleinen Kreis kann der Finanzwissenschaftler aus dem westfälischen Münster wunderbar diskutieren, ist witzig und redegewandt. Doch sobald eine Fernsehkamera auf ihn gerichtet ist, verhaspelt er sich und nuschelt. Es scheint eine Last auf ihm zu liegen, die besonders schwer ist, seit sich der populäre Biedenkopf
kurz vor seinem Abgang 2002 offen gegen Milbradt stellte.
"Er kann es nicht“, sagte der alte Herr über den Mann, den er 1990 selbst als Finanzminister nach Dresden holte. Die CDU entschied sich 2002 für Milbrandt und gegen Biedenkopfs Rat. Manche haben das inzwischen bereut und lasten dem Nachfolger an, er sei misstrauisch, habe alte Freunde verprellt und stütze sich auf ein Umfeld aus Jasagern von denen die meisten wie er aus Westdeutschland kommen. Nicht wenigen davon sei Sachsen fremd geblieben. Über diese Schwächen wird in der sächsischen CDU schon seit Jahren diskutiert, doch zur richtigen Krise ist dies erst in diesem Jahr geworden.
Das liegt vor allem an zwei Vorkommnissen dem Geheimdienstskandal und dem
Ende der Sächsischen Landesbank.
In Sachsen regiert die CDU, die bei der Landtagswahl vor drei Jahren 15 Prozentpunkte verloren hatte, gemeinsam mit der SPD. Das ist ein ungleiches Paar, denn die CDU war auf 41,1 Prozent, die SPD auf nur 9,8 Prozent gekommen. Die Zusammenarbeit klappte lange Zeit gut, auch wegen Milbradts Geschick, verschiedene Strömungen zusammenzuführen. Als aber im Mai 2007 Berichte über ein großes Netz an Korruption unter Justiz- und Polizeibeamten bekannt wurden und die Geheimdienstkontrolleure im Landtag von einer "Staatsaffäre“ sprachen, war Milbradts Krisenmanagement vor eine harte Bewährungsprobe gestellt. Er hat auf ganzer Linie versagt.
Während sein Innenminister Albrecht Buttolo öffentlich vor Seilschaften und mafiaähnlichen Strukturen warnte, spielte sein Justizminister Geerth Mackenroth die Vorfälle herunter. Milbradt zeigte sich derweil betont gelassen und demonstrierte Normalität. Er hätte beim leisesten Verdacht, seine Justiz arbeite nicht korrekt, einen externen Ermittler einschalten und rückhaltlose Aufklärung ankündigen müssen. So aber ließ es Milbradt zu, dass sich dubiose Verdächtigungen über Monate hielten und heute die ersten Beobachter behaupten, die korrupten Kräfte in der Justiz hätten inzwischen
genügend Zeit gehabt, ihre Spuren zu verwischen.
Für Milbradt noch ernster ist der zweite Fall, das Missmanagement in der sächsischen Landesbank. Nach fehlgeschlagenen Spekulationen am US-Hypothekenmarkt geriet die Bank in die roten Zahlen und wurde in einer Nacht-und-Nebel-Aktion an die Landesbank Baden-Württemberg verkauft. Das Geschäft ist für die Sachsen nicht attraktiv, denn für mögliche Risiken aus den Spekulationen der Sachsen-Bank muss der Freistaat am Ende gerade stehen das könnte den Landesetat mit bis zu 17 Milliarden Euro belasten.
Milbrandt und sein Finanzminister Horst Metz müssen sich fragen lassen, warum sie fragwürdige Geschäfte des Bankmanagement nicht rechtzeitig stoppten, und warum sie jetzt einen Notverkauf in die Wege leiteten, der dem Freistaat am Ende nicht gut bekommen könnte.
In Sachsens CDU heißt es, Milbradt habe hier "Pech“ gehabt: Wäre die US-Immobilienkrise ein halbes Jahr später geschehen, dann hätten die Sachsen ihre ohnehin zum Verkauf anstehende Landesbank vielleicht an die WestLB veräußert und das dann sicher zu einem viel besseren Preis. Es kam anders, und Milbradt, der bisher immer als zwar miserabler Außendarsteller, aber doch hervorragender Fachmann galt, büßt mit dieser Krise noch sein Image als Finanzpolitiker ein. Sein Minister Metz ist schon zurückgetreten; nun hat er niemanden mehr, der noch die Verantwortung auf sich nehmen könnte.
Aktuelle Umfragen geben der CDU gerade noch 37 Prozent, das ist blamabel in ihrer einstigen Hochburg. Der Koalitionspartner SPD murrt immer lauter, SPD-Wirtschaftsexperte
Karl Nolle hält Milbradt "eine Kommunikation nach Gutsherrenart“ vor und fordert "neue Umgangsformen“. Koalitionsbruch und vorzeitige Neuwahlen sind jedoch unwahrscheinlich, weil die SPD dadurch kaum als Gewinner hervorgehen würde, sondern in ihrem Zehn-Prozent-Tal verharren würde. So wird denn allenthalben über eine größere Kabinettsumbildung diskutiert, die auch in die erlahmte und seit Jahren nur noch phantasielos agierende CDU-Landtagsfraktion neuen Schwung bringen könnte. Dies wäre, heißt es, die letzte Chance für den Ministerpräsidenten.
Von Klaus Wallbaum