Sächsische Zeitung, 11.09.2007
SPD streitet über Schröders Reformen
Parteilinke fordern im Konflikt um die richtige Richtung der Partei eine radikale Abkehr vom Kurs der Agenda 2010.
Der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen (AfA) in der SPD, Ottmar Schreiner, hat seine Partei zum „Bruch mit einer gescheiterten Politik“ Gerhard Schröders aufgerufen.
„Eine kleine Clique an der Spitze der Partei wollte die reformistische Tradition der SPD als linker Volkspartei entsorgen“, schrieb Schreiner in einem Beitrag für die FAZ im Blick auf den früheren Kanzler und weitere prominente Erneuerer wie Außenminister Frank Walter Steinmeier, Finanzminister Peer Steinbrück und Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck. Es sei an der Zeit, diesem „Irrweg“ entschieden entgegenzutreten. Die „Entsozialdemokratisierung und Entwurzelung der SPD“ müsse „programmatisch und personell“ gestoppt werden.
Sechs Wochen vor dem Hamburger Bundesparteitag warnte die Parteispitze dagegen gestern vor „rückwärts gewandten Debatten“ und rief dazu auf, die Querelen unverzüglich zu beenden. Nach Angaben von Generalsekretär Hubertus Heil ist sich die SPD-Führung einig, dass die Reform-Agenda 2010 „nicht nur notwendig, sondern auch richtig war“. Damit seien die Grundlagen für den derzeitigen Aufschwung gelegt worden. Es gebe aber keinen Grund, sich zufrieden zurückzulehnen, solange nicht alle vom Aufschwung profitieren.
Schreiners Aufsatz stieß im SPD-Präsidium auf Widerspruch. Parteichef Kurt Beck verteidigte vor dem Gremium dagegen seine Forderung vom Wochenende, auf weitere „Zumutungen“ für die Bürger zu verzichten. Er bekräftigte auch seine Kritik an anonymen Kräften aus den eigenen Reihen, die gegen ihn Stimmung machten. Namen nannte er erneut nicht. Er habe für sein Machtwort „unglaublich“ viele positive Reaktionen aus der SPD erhalten, sagte Beck im Fernsehen. Zu Darstellungen, wonach Vizekanzler Franz Müntefering auf Distanz zu ihm gegangen sei, sagte Beck: „Ich sehe nicht, dass er meine Autorität infrage gestellt hat.“
„Abwegig“ nannte der Spitzenkandidat für die Landtagswahl in Niedersachsen, Wolfgang Jüttner, Schreiners Vorwürfe: SPD-Sonderparteitage hätten die Agenda 2010 gebilligt. Die hessische Landesvorsitzende Andrea Ypsilanti forderte derweil zu einer offenen Diskussion darüber auf, warum die Partei in Umfragen bei 27 Prozent liege.
Beck sieht das für heute geplante Treffen der Generalsekretäre und von Abgeordneten der CDU und der FDP gelassen. Es sei ein normaler Vorgang, wenn Parteien miteinander redeten. Nach seiner Überzeugung wird die Große Koalition bis 2009 halten.
Von Peter Heimann, Berlin (mit dpa)