Karl Nolle, MdL

spiegel-online, 13.09.2007

Korruptionsaffäre: Sächsische Justiz will Akten nicht freigeben

 
Es geht um Schmiergeldvorwürfe gegen Richter, Staatsanwälte und Politiker - doch die sächsische Justiz will die Verfassungsschutzakten über die Korruptionsaffäre im Land unter Verschluss halten. Der Chef der Dresdner Staatsanwaltschaft empört sich über eine "Hexenjagd".

Dresden - Henning Drecoll blockt ab. Der "Sächsischen Zeitung" sagte der Dresdner Leitende Oberstaatsanwalt, er sei dagegen, dass der Untersuchungsausschuss des Landtags zum gegenwärtigen Zeitpunkt Einsicht in die Unterlagen erhält. Zugleich prangerte er eine Art Hexenjagd gegen unbescholtene Bürger an. Die Oppositionsparteien Linke, FDP und Grüne reagierten mit Kritik auf die Äußerungen von Drecoll.

"Das, was wir bislang festgestellt haben, können wir zum gegenwärtigen Zeitpunkt immer noch nicht herausgeben", wird der Chef der Ermittlungsbehörde zitiert. Die Erfahrung zeige, dass aus Akten, die den engeren Bereich der Justiz verlassen, häufig vieles nach außen dringe, fügte Drecoll zur Begründung hinzu.

Wann die Ermittlungen abgeschlossen sein könnten, wisse er noch nicht, da eine Schlüsselfigur in der Affäre aus dem Landesamt für Verfassungsschutz derzeit nicht vernehmungsfähig sei. "Wir gehen jeder Spur nach, die man in den Unterlagen finden kann und sind bereits tief in das Thema eingestiegen", sagte der Leitende Oberstaatsanwalt. "Aber je tiefer wir graben, desto mehr heiße Luft kommt heraus, die völlig unbescholtene Bürger verbrennt - darunter auch untadelige Mitarbeiter der Justiz", kritisierte Drecoll. Deren Ruf sei auf Jahre beschädigt. "Wir haben es mit einer regelrechten Hexenjagd gegen Justizangehörige zu tun und das ist es, was mich erschreckt", so der Chef der Dresdner Staatsanwaltschaft.

Der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses zur Aufklärung der Affäre um Geheimdienstakten über mögliche Korruptionsfälle, Klaus Bartl, kritisierte die Aussagen Drecolls als unglaubwürdig. Auf der einen Seite vermittle er den Eindruck, dass es in den Verfassungsschutzakten nur um "heiße Luft" gehe, sagte der Abgeordnete der Linksfraktion. Andererseits werde aber die Herausgabe der Akten an den Untersuchungsausschuss immer noch mit der Begründung blockiert, dass dadurch Ermittlungen gefährdet würden, sagte Bartl.

Außerdem habe es der leitende Oberstaatsanwalt unterlassen, die für die Geheimdienstkontrolle zuständige Parlamentarische Kontrollkommission (PKK) über den Stand der Ermittlungen zu unterrichten, kritisierte der Abgeordnete. Der innenpolitische Sprecher der Fraktion von Bündnis 90/Grüne, Johannes Lichdi, kritisierte: "Es ist ein völlig unüblicher Vorgang, dass sich die Staatsanwaltschaft in der Presse über laufende Ermittlungen äußert".

FDP spricht von Überheblichkeit

Der rechtspolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Jürgen Martens, warf Drecoll Überheblichkeit vor. Es sei unzulässig, dem Parlament mit der Begründung Einsicht in die Geheimdienstakten zu verwehren, dass man selbst noch ermittele. Die Unterstellung, Inhalte der Akten könnten aus dem zur Geheimhaltung verpflichteten Untersuchungsausschuss nach draußen gelangen, sei zudem durch nichts begründet und ein Affront gegenüber dem Landtag, sagte Martens. Die Abgeordneten müssten endlich Akteneinsicht bekommen, um sich selbst ein Bild von den Korruptionsvorwürfen machen zu können, forderte der FDP-Politiker.

asc/AP

Karl Nolle im Webseitentest
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