Karl Nolle, MdL

Freie Presse Chemnitz und ddp, 15.09.2007

Sachsens Bankgesellschaft - Der Kollaps der Sachsen LB zeigt verblüffende Parallelen zur Berliner Bankenaffäre

Milbradt am 9.3.2005: "... weise ich ausdrücklich jede Parallelität zur Bankgesellschaft Berlin und Äußerungen zu angeblichen Milliardenrisiken entschieden zurück."
 
Berlin/Dresden (ddp). "Wie schon der Finanzminister in der Vergangenheit, weise ich ausdrücklich jede Parallelität zur Bankgesellschaft Berlin und Äußerungen zu angeblichen Milliardenrisiken entschieden zurück." So rief es Sachsens Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) in einer Regierungserklärung im Frühjahr 2005 den Landtagsabgeordneten und der Öffentlichkeit zu. Kritische Berichte über Sachsens Landesbank, die Sachsen LB, wies er zurück: "Sie schaden der Bank und dem Ansehen des Wirtschaftsstandortes Sachsen". Diese starken Worte dürften dem Ministerpräsidenten heute unangenehm in den Ohren klingen.

Ähnlichkeiten zwischen dem sächsischen Bankenskandal und der Berliner Bankenaffäre werden immer augenfälliger, der finanzielle Schaden der Sachsen LB ist irreparabel, der Ansehensverlust enorm. In einer Nacht- und Nebelaktion musste das Land die von der Insolvenz bedrohte Sachsen LB an die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) abgeben. Wie hoch der Kaufpreis ist, ob überhaupt ein Cent nach Sachsen fließt, ist unklar.

Die Steuerzahler in Sachsen müssen sich eine Frage stellen, die auch ihre Berliner Leidensgenossen lange beschäftigt hat: Bis zu welcher Höhe haftet das Land für Verluste der Sachsen LB bei riskanten Geschäften? Und wie im Fall der Bankgesellschaft Berlin sind sämtliche Bankvorstände inzwischen abgetreten. Wo in der Hauptstadt allerdings eine ganze Regierung stürzte, musste in Sachsen bisher nur Finanzminister Horst Metz (CDU) gehen.

Die Parallelen zwischen der Sachsen LB und der Bankgesellschaft Berlin sind verblüffend. Beide öffentlichen Geldinstitute sollten sich, so der Wunsch der Landespolitiker, um jeden Preis unter den Großen behaupten. Treibende Kraft in Sachsen war der "Vater" und langjährige Verwaltungsratsvorsitzende der Landesbank, der damalige Finanzminister und heutige Ministerpräsident Milbradt. Die Mitgliedslisten der Aufsichtsgremien der Sachsen LB lesen sich, wie einst bei der Bankgesellschaft Berlin, wie ein Who is Who der Landespolitik. Bei der Sachsen LB, die dem Land und dessen Kommunen gehörte, saßen im Laufe der Jahre im Verwaltungsrat: Ex-Finanzminister Milbradt, seine Nachfolger Thomas de Maizière und Horst Metz, Wirtschaftsminister Thomas Jurk und der ehemalige Leipziger Oberbürgermeister Wolfgang Tiefensee (SPD).

Wie bei der Bankgesellschaft wurde die Sachsen LB mit Wünschen der Politik zur Förderung von Projekten und Unternehmen im eigenen Bundesland überhäuft. Viele dieser Unternehmungen brachten keine nennenswerten Renditen. Viele führten sogar zu massiven Verlusten, wie in Sachsen etwa der Maschinenhersteller WEMA Vogtland oder die Mitteldeutsche Leasing AG.

Während die Sachsen LB, ebenso wie die Bankgesellschaft vor ihr, in den ersten Jahren nach Gründung 1992 kaum Gewinn generierte, stiegen die Erwartungen der Politik an der Bank beständig: Das Institut sollte wachsen, in die Bankenbundesliga Deutschlands aufsteigen. Gleichzeitig wurde der Bank aber eine Voraussetzung für dieses immer schnellere, stärkere Wachstum verweigert: ausreichende Eigenkapitalerhöhungen, eine entscheidende Grundlage für die Geldbeschaffung. In den Augen der Politiker sollte die Landesbank Gewinne überweisen, nicht nach neuem Kapital rufen. In dieser Situation hat die Sachsen LB, auch darin der früheren Bankgesellschaft ähnlich, den Entschluss gefasst, eine faktische Tochtergesellschaft in Dublin zu gründen, um dort mit kurzfristig geliehenem Geld in langfristigen Wertpapieren zu zocken. Viel Risiko verspricht auch viel Gewinn.

Diese Entscheidung ist in einer Vorlage für die Verwaltungsratssitzung der Sachsen LB vom 7. September 2001, die der Nachrichtenagentur ddp vorliegt, vollständig dokumentiert. "Eine tragfähige Basis für die Ertragssteigerung", heißt es in dem Strategiepapier, liege in einem "Rückzug" aus den bisherigen Firmen- und Immobilienkreditgeschäften "in unserem natürlichen Markt Sachsen". Dafür solle die Bank ihre Wertpapiergeschäfte in Dublin radikal ausbauen.

Dublin ist für solche Geschäfte prädestiniert. Ein Geldinstitut braucht dort kaum Eigenkapital zu hinterlegen, die richtige Konstruktion verhindert auch, dass ein dortiges Finanzierungsvehikel hierzulande bilanziert werden muss, und der Steuersatz ist niedriger als im eigenen Land. Die Gewährträgerhaftung des Landes Sachsen reichte aus, um sich Milliarden an frischem Kreditkapital für Risikogeschäfte zu sichern. Auch die wichtigsten Spieler im Fall Bankgesellschaft stützten sich darauf, dass sie letztlich die Steuerzahler im Rücken hatten.

Der Verwaltungsrat der Sachsen LB war über die Risiken informiert. Zu der Vorlage für den Verwaltungsrat gehört ein Minderheitsvotum des Vorstandsmitglieds der Sachsen LB, Eckhard Laible. Er argumentierte, dass die Entscheidung für Dublin und das Kapitalmarktgeschäft der Satzung der Landesbank und dem darin enthaltenen Strukturförderauftrag widerspreche. Außerdem warnte er vor den "zum Teil volatilen Erträgen aus den Kapitalmarktbereichen". Die großen Gewinnchancen in Dublin scheinen den Verwaltungsmitgliedern aber verführerischer gewesen zu sein als Laibles Zweifel. Der Manager zog die Konsequenzen und gab seinen Vorstandsposten auf.

Aus einer Strukturförderbank wurde eine Investmentbank. Ein Insider beschreibt das Ergebnis als "großes Wertpapierhandelshaus in Dublin mit einer kleinen Regionalbank in Sachsen". Bereits im Jahr 2004 machten die "außerbilanziellen Geschäfte" in Dublin mehr als 50 Prozent der Konzernbilanz aus, bei steigender Tendenz. Im Jahr 2005 meldete die Sachsen LB einen Konzerngewinn von 17 Millionen Euro. Im selben Jahr hatte die Dublin-Tochter laut deren Geschäftsbericht ein Ergebnis von 47 Millionen Euro. Mit anderen Worten: Die Risikogeschäfte aus Dublin verdeckten die Verluste der Bank in Sachsen. Bei einer Sonderprüfung im Auftrag der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) im Jahr 2005 stellten die Wirtschaftsprüfer der KPMG fest, dass die Dublin-Strategie einen grundsätzlichen Haken hatte: Sie setze "voraus, dass es grundsätzlich nie zu Marktstörungen kommt".

Der ehemalige Vorstand Laible wiederholte am 27. Juli 2006 vor dem - wegen anderer Missstände eingesetzten - Untersuchungsausschuss des sächsischen Landtags zur Sachsen LB seine Warnungen vor dem anstehenden Dublin-Desaster. Zu dieser Zeit waren dem Ausschuss und der Regierung die Sonderprüfung der KPMG schon bekannt. In dem Gremium sitzt auch ein Vertreter der Landesregierung. Trotzdem wurden die waghalsigen Geschäfte weiter betrieben und sogar noch aufgestockt. Denn die Regierung hoffte - ähnlich wie Jahre zuvor führende Politiker Berlins - offensichtlich weiter auf Millionengewinne und erntete am Ende doch nur finanzielles Chaos.

Der Niedergang kam in Berlin wie in Sachsen von außen. Die Bankgesellschaft erlitt beim Zusammenbruch der Aktienmärkte in den Jahren 2000 und 2001 massive Verluste, die dann dazu führten, dass sie ihr Immobiliengeschäft nicht mehr halten konnte. In Sachsen war es die Krise auf dem US-Hypothekenmarkt, die zu Kursverlusten von Wertpapieren der Dublin-Tochter, zu steigenden Zinsen und Refinanzierungsproblemen und so zum Zusammenbruch der Landesbank führte.

Beide Banken in Berlin und Sachsen wurden zum Opfer der Politik, die ihre Vorstände - trotz ausreichender Warnungen - zu waghalsigen Risiken antrieben, um satte Ausschüttungen zu kassieren und Fehler in der eigenen Finanzpolitik auszugleichen.
von den ddp-Korrespondenten
Olaf Jahn und Mathew D. Rose

ddp/oja/mbr
xwi017 14.09.07 12:09

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