DNN/LVZ, 20.09.2007
Rolle rückwärts: Spekulationen um Buttolo
Innenminister verzichtet auf Regierungserklärung
Dresden. Die Chaos-Tage der Regierungspolitik im Freistaat gehen weiter. Sollte Innenminister Albrecht Buttolo (CDU) nach ursprünglichen Planungen in acht Tagen noch eine Regierungserklärung zur Affäre um Geheimakten des Verfassungsschutzes im Landtag halten, so stoppte die Staatsregierung gestern den mit Spannung erwarteten Ministervortrag in einer Hauruck-Aktion. Es werde keine Erklärung des Ministers im September-Plenum geben, lautete die Auskunft aus dem Hause Buttolo – Vortrag ersatzlos gestrichen.
In Dresden sorgte die Rolle rückwärts für heftiges Kopfschütteln. Zwar versuchte das Innenressort den Stopp damit zu erklären, es habe sich nur um eine „vorläufige Idee“ gehandelt. Da ein Prüfbericht zu möglichen Unregelmäßigkeiten im Verfassungsschutz erst am 4. Oktober vorliege, werde Buttolo nicht vorher im Landtag Stellung nehmen. Allerdings war nach Aussage von Regierungskreisen die Tonlage in der Kabinettssitzung am vergangenen Dienstag anders: Der Prüfbericht liege vor, Buttolo möge im Landtag reden. Eben dies war in die vorläufige Tagesordnung des Landtags eingegangen – schriftlich. Von einer „Fachregierungserklärung“ ist dort die Rede, „Arbeitstitel Verfassungsschutz“. Und auch der Redner ist persönlich genannt: „Staatsminister Dr. Buttolo“.
Die Tatsache, dass die Regierung dieses Vorhaben jetzt hektisch zurückzieht, heizt die Gerüchteküche an der Elbe an – Stichwort Kabinettsumbildung. Regierungschef Georg Milbradt (CDU), so lauten die Spekulationen, könnte sich nun doch schweren Herzens dazu durchgerungen haben, den wegen der Aktenaffäre angeschlagenen Buttolo kommende Woche ins politische Nirwana zu schicken. Ursprünglich hatte hier eine andere Version die Runde gemacht. Demnach soll Milbradt mit dem Gedanken gespielt haben, Buttolo erst nach gelungener Kreisreform in einer zweiten Runde im Sommer kommenden Jahres abzusetzen – möglichst mit Sozialministerin Helma Orosz (CDU), die nach CDU-Plänen Mitte 2008 OB von Dresden werden soll. Der gestoppte Buttolo-Auftritt legt nun die andere Lesart nahe. Sollte Milbradt in der kommenden Woche einen neuen Innenminister präsentieren – ob nun Justizminister Geert Mackenroth (CDU) oder einen Kommunalpolitiker wie den Landrat des Vogtlandkreises, Tassilo Lenk (CDU) –, wäre es schlechter Stil, diesen sofort zur Affäre seines Vorgängers sprechen zu lassen.
Von der Opposition erntet die Union für den Rückzieher nur Spott. „Die Staatsregierung macht sich lächerlich“, meinte Johannes Lichdi von den Grünen, sie sei „komplett reif für den Rücktritt“, sagte André Hahn (Linke). Und FDP-Mann Jürgen Martens meinte: „Die Regierung lässt ihr Krisenmanagement offenbar von einem Zufallsgenerator bestimmen.“ Heftige Kritik kam auch vom Koalitionspartner SPD. „Das Chaos um Aktenherausgabe, Geheimhaltung und die abgesetzte Regierungserklärung macht das Land zu einer Lachnummer und bedeutet den christdemokratischen Supergau ihrer Rechts- und Sicherheitspolitik“, ätzte SPD-Mann
Karl Nolle.
Gleichzeitig deutet der Rückzieher von Buttolo auf eine von Milbradt geplante „mittlere Lösung“ hin. Neben einem Nachfolger für Finanzminister Horst Metz (CDU), der für Milbradt die Verantwortung für das Landesbank-Debakel übernehmen muss, könnte der Regierungschef Änderungen auch an der Spitze der Staatskanzlei und im Innenressort planen. So gilt als sicher, dass Hermann Winkler die Staatskanzlei verlassen muss, wohin auch immer. Darüber hinaus muss Milbradt im Innenministerium neben einem möglichen Buttolo-Nachfolger wohl auch einen neuen Staatssekretär suchen. Grund: Amtschef Klaus Fleischmann soll Ende September Generalstaatsanwalt werden. Als dessen Nachfolgerin ist die Staatssekretärin in der Staatskanzlei, Andrea Fischer, im Gespräch.
Ob Milbradt eine „große Lösung“ gelingt, ist fraglich. Denn der mögliche Plan, Kultusminister Steffen Flath als Symbol für einen Neuanfang zum CDU-Fraktionsvorsitzenden zu machen, hängt von der Einsicht eines Mannes ab: Erich Iltgen. Der Landtagspräsident könnte seinen Platz für CDU-Fraktionschef Fritz Hähle räumen. Dessen Nachfolger könnte dann Flath heißen. Diese Variante hat aber einen Haken. Übermäßige Neigungen, sein Amt aufzugeben, werden Iltgen nicht nachgesagt.
Jürgen Kochinke