Karl Nolle, MdL

SAX - Das Dresdner Stadtmagazin, Oktober 2007, 30.09.2007

Wer zahlt die Zeche für die Zocker?

Ein Versuch, nach dem Desaster der Landesbank die Verlustrisiken für Sachsen und seine Hauptstadt abzuschätzen
 
Operation gelungen, Patient tot. Nach diesem Motto wollten sich am Abend des 26. August Ministerpräsident Georg Milbradt und Finanzminister Horst Metz (beide CDU) gar noch als Retter der sächsischen Staatsfinanzen feiern lassen in den »sicheren Hafen« habe man die schwer leck geschlagene Landesbank lancieren können. »Das ist der Grund dafür, warum wir heute noch hier sitzen«, sagte der nicht nur physisch vom Verhandlungsmarathon angeschlagene Oberlandesverweser und deutete damit gar nicht so ferne Rücktrittsgedanken an. Denn was wäre wohl passiert hätten Milbradt und Metz die am Größenwahn kollabierte Sachsen LB nicht binnen dreier Tage an den großen Bruder in Baden-Württemberg verkaufen können?

Die Bank war bekanntlich eine Woche vor dem Verkauf erst durch eine Kreditgarantie von 17,3 Milliarden Euro deutscher Sparkassen und Landesbanken aus dem Strudel der amerikanischen Hypothekenkrise gerettet worden. Es hätte nicht viel genutzt, wenn der Freistaat wenige Tage danach auch noch die kurzfristig fälligen 250 Millionen Euro Eigenkapitalaufstockung nachgeschossen hatte, die ein Vertrag mit der britischen Großbank Barclays für den Krisenfall verlangte. Diesen Krisenfall hat nach Erkenntnissen des bestinformierten und bestinformierenden Landtagsabgeordneten Karl Nolle von der SPD-Fraktion die Sachsen LB selbst herbeigeführt, indem sie Papiere aus dem Fonds zur Unzeit verkaufte und damit eine Kettenreaktion auslöste. Dies hätte sich, der Psychologie der Finanzoligarchie folgend. durch massiven Vertrauensschwund am Montag nach dem verkaufsoffenen Bankensonntag binnen Stunden zum Zusammenbruch der Landesbank ausgeweitet. Sämtliche Risiken und Verluste wären beim Freistaat und den kommunalen Anteilseignern, darunter die Landeshauptstadt Dresden, hängen geblieben. Es hatte also noch schlimmer kommen können. Dass es trotz warnender Orakelsprüche - auch von der Bundesaufsicht BAFIN - überhaupt so weit kommen konnte, wird noch lange Stoff für politische Mensuren geben.

Die Vorgänge sind inzwischen Geschichte, und ihre Vorgeschichte füllt Aktenregale. Jetzt interessieren die Folgen. Die psychologischen sind dabei ausnahmsweise klarer als die finanziellen. Da ist ein Stück Sachsenstolz dahingegangen, die einzige ostdeutsche Landesbank. Nach der Wende mitbegründet vom damaligen Finanzminister Georg Milbradt, als die anderen Ostländer bei starken Westbanken unterkrochen und die unüberwindlichen Sachsen noch sicher waren, binnen fünf Jahren Bayern zu überholen. Nun kostet sie einen unglücklichen Nachfolger Milbradts das Finanzministeramt. Und der Regierungschef ist nicht nur politisch beschädigt, ramponiert ist vor allem das Vertrauen in den abgebrühten Finanzprofessor Milbradt.

Die Spekulationen über den Verlust öffentlicher Gelder werden sich erst zu zwei ungefähr absehbaren Terminen mit verlässlicheren Zahlen untersetzen lassen. Zum Ende dieses Jahres wird die Sachsen LB einer abschließenden Bewertung unterzogen. Dann erst kann auch der Kaufvertrag mit der Baden-Württembergischen Landesbank LBBW wirksam werden.

692 Millionen Euro Steuergelder, sagt der scheidende Finanzminister Horst Metz, stecken in der öffentlich-rechtlichen Bank.300 Millionen soll den Schwaben das Schnäppchen Sachsen LB mindestens als Kaufpreis Wert sein. Hier droht zumindest keine Katastrophe. (Die akut fehlenden 250 Millionen für Barclays hatte die LBBW in einer Geste der Kulanz, wie die Sachsen meinen, sofort vorgeschossen. Sie werden erst angeknabbert, wenn der Wert der Bank 900 Millionen überschreitet - was niemand wirklich erwartet. Als vor Monaten noch mit der inzwischen gleichfalls angeschlagenen West LB als möglichem Fusionspartner verhandelt wurde, war noch ein Preis von 1,5 Milliarden im Gespräch.)

Als sicher gelten können die Spareinlagen des Volkes in den Sparkassen. Obschon über die Sachsen - Finanzgruppe mit der Landesbank verbunden, sind die Sparkassen nicht am Eigenkapital beteiligt. Das größte Risiko liegt in jenem nach einer Straße im Irischen Dublin benannten Fonds “Ormond Quay”, der das Desaster der Bank verursacht hat. Vergessen wird jetzt leicht, dass er jahrelang der Dukatenesel der Sachsen LB war und im ersten Halbjahr 2007 noch maßgeblich für deren Gewinn von 38 Millionen Euro sorgte. Mit dem noch vom Finanzminister Milbradt herbeigeführten Strategiewechsel hatte sich die Landesbank 2001 weg vom wenig lukrativen sächsischen Alltags- und Mittelstandsgeschäft auf dieses hochriskante internationale Zockerterrain begeben. Dabei handelt es sich um ein Spiel zwischen längerfristigen Kreditvergaben an ebenjene ins Trudeln geratene amerikanische Häuslebauer und kurzfristigen Gegenfinanzierungsgeschäften mit anderen Banken. Der Gewinn resultiert aus Zinsdifferenzen.

Diese heiklen Papiere haben Laufzeiten von drei bis vier Jahren. Was sie noch wert sein werden, wird Sachsen wahrscheinlich erst nach der Landtagswahl 2009 wissen. Ein Schelm, wer Arges dabei denkt. Der Ormond Quay ist aus dem Vertrag mit der LBBW ausdrücklich ausgeschlossen. Für ihn gilt bis 2010 auch noch die öffentliche Gewahrträgerhaftung, die Inzwischen von der EU für alle Geschäfte nach 2005 abgeschafft wurde. Hier kommen neben dem Freistaat auch die Kommunen wie Dresden ins Spiel. Sie sind zu 77,6 Prozent Anteilseigner der Sachsen-Finanzgruppe, die wiederum zu 63 Prozent Eigentümer der Sachsen LB war.

Dresden ist mit 14,4 Prozent am Stammkapital beteiligt. Die Stadt hat deshalb schon in der Woche vor dem Bankenverkauf in einer Pressemitteilung allgemein auf die daraus resultierenden Risiken hingewiesen, sagt aber seither nichts mehr. Der Stadtrat der Linksfraktion und Vorsitzende des Landtags-Finanzausschusses Ronald Weckesser hält das Verlustrisiko für überschaubar. Er verweist auf die so genannten »Schweinezyklen« der Immobilienbranche. Sie ließen erwarten, dass dieses Geschäft in drei bis fünf Jahren wieder in Gang kommt. Große Banken, zu denen die Sachsen LB eben nicht gehörte, sitzen solche Einbrüche einfach aus. »Wenn die Panik raus ist, wären wir drei Jahren dort gelandet, wo wir hinwollten, nur auf einem merkwürdigen Weg«, sagt Weckesser. Die teils schlechten Papiere ließen allerdings bleibende Fondsverluste von 5 bis 1o Prozent erwarten. Das hält SPD-Schlachtross Karl Nolle für reichlich untertrieben. Die Bank selbst habe das Risiko für die ganz faulen Kredite auf fünf Milliarden eingestuft. Nolle beziffert die zu erwartenden Wertverluste auf 10 bis 30 Prozent. Das wäre allerdings ein Milliardenbetrag. »Es kommt schlimmer, als wir jetzt glauben!«, prophezeit Nolle. Werden für den Ausgleich Kredite aus der 17,3-Milliarden-Linie in Anspruch genommen bleiben Zinsen dafür auf jeden Fall bei den sächsischen Anteilseignern hängen. Weckesser rechnet aber nicht damit, dass diese schlagartig fällig werden könnten.

Auf einem anderen Blatt steht, dass Dresden wie andere Kommunen auch, mit verminderten Ausschüttungen zu rechnen hat. Für 2007 waren eigentlich 5,5 Millionen Euro Einnahmeanteil aus dem Bankgewinn geplant. Die Anteile der sächsischen Kommunen gehen zwar auf die schwäbische LBBW über. Wegen der Verkaufsturbulenzen erwartet Weckesser aber nur eine Ausschüttung von 2,2 Millionen in diesem Jahr. Mittelfristig bleibt er Optimist, weil die gewinnträchtige LBBW mit 6.5 Prozent zuletzt eine höhere Ausschüttungsquote als die Sachsen LB erreichte. Vorausgesetzt, der Kauf wird zum Jahresende wirklich besiegelt.

Tilo Kießling von der linkeren Linken im Stadtrat nimmt die Problematik nicht nur finanziell, sondern demokratietheoretisch ernster: »Warum sollen wir für Fehler einstehen, auf deren Vermeidung wir nicht den geringsten Einfluss hatten?«. Das allerdings werden sich auch viele Steuerzahler fragen,
Von Michael Bartsch

Karl Nolle im Webseitentest
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