Karl Nolle, MdL

Agenturen dpa, 19:18 Uhr, 02.11.2007

Prüfer sehen bei Sachsens Polizei teils eklatante Führungsmängel

 
Dresden (dpa/sn) - Eine externe Prüfung bei Sachsens Polizei hat im Zuge der Affäre um Verfassungsschutzakten zur Organisierten Kriminalität eine Reihe von Mängeln und Verstößen zu Tage gebracht. Belege für die Existenz eines kriminellen Netzwerkes seien jedoch nicht gefunden worden, sagte der Direktor des Landeskriminalamtes Mecklenburg-Vorpommern, Ingmar Weitemeier, am Freitag in Dresden.

Der Chef der Prüfgruppe sprach unter anderem von teils «eklatant erscheinenden» Führungsdefiziten auf verschiedenen Ebenen «bis hin ins Innenministerium». Zudem habe es Ungereimtheiten bei der Polizei im Umgang mit Informanten und Vertrauenspersonen sowie Fehler bei der Führung von Ermittlungsakten und der Weitergabe von Erkenntnissen gegeben.

Zu einem ähnlichen Schluss war auch die Prüfgruppe gekommen, die separat die Arbeit des sächsischen Verfassungsschutzes unter die Lupe genommen hatte. «Unmittelbare wie ministerielle Fachaufsicht wurde nicht ausreichend wahrgenommen», hatten diese Prüfer Anfang Oktober festgestellt. Auch für den Verfassungsschutz ist das Innenministerium die zuständige Fachaufsicht.

Sachsens Innenminister Albrecht Buttolo (CDU) kündigte am Freitag tiefergehende Untersuchungen zu den Vorgängen in der Polizei an, die bis hin zu strafrechtlichen Konsequenzen reichen könnten. Ein Polizeibediensteter, dessen Identität Buttolo nicht preisgeben wollte, sei vorläufig vom Dienst suspendiert worden. Zwei Juristen des Ministeriums seien mit weiteren Untersuchungen der Vorgänge beauftragt worden. Auch das Justizministerium sei über die Ergebnisse der externen Prüfung unterrichtet worden.

In dem Prüfbericht wird unter anderem festgestellt, dass es in Einzelfällen keine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Staatsanwaltschaft und Polizei gab. Dies habe grundsätzlich an handelnden Personen gelegen, nicht an Strukturen. Für die Prüfer «nicht nachvollziehbar» ist, dass im Fall des Attentates auf den früheren Chef der Leipziger Wohnungs- und Baugesellschaft, Martin Klockzin, bis zur Eröffnung des Hauptverfahrens gegen die Täter kein Ermittlungsverfahren gegen die bereits namentlich bekannten Hintermänner eingeleitet worden war. Bei den Ermittlungen zu diesem Fall habe es erhebliche Defizite gegeben, die zu überprüfen seien.

Weitemeier verwies ausdrücklich darauf, dass die zwölf Prüfer aus Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern keine Ermittlungen geführt hätten. «Wir haben nicht ermittelt, selbst wenn wir das gern getan hätten.» Nun sei zu klären, ob etwa bewusst gegen Vorschriften verstoßen worden sei. Völlig neue Ermittlungen in den untersuchten Fälle - so zu dem Attentat in Leipzig, zu Geldwäsche und Prostitution - halte er hingegen nicht für notwendig.

Anschuldigungen zu einem kriminellen Netzwerk in Sachsen waren erstmals im Mai 2007 aufgetaucht. Sie stammten aus Akten des Verfassungsschutzes, die angeblich Verbindungen von Polizei, Justiz und Politik zur Organisierten Kriminalität belegen, aber inzwischen angezweifelt werden. Auf Betreiben der Fraktionen von Linken, FDP und Grünen befasst sich inzwischen ein Untersuchungsausschuss mit dem Thema.

Laut Weitemeier müsse in Sachsen insgesamt politisch geklärt werden, ob das Landesamt für Verfassungsschutz weiter für die Beobachtung der Organisierten Kriminalität (OK), zuständig sein solle, «oder ob man die OK - wie ich es sehe - bei der Polizei lässt.» Die Polizei habe inzwischen weitreichende Möglichkeiten für sogenannte Vorfeldermittlungen.

Der Chef der Linksfraktion, André Hahn, nannte den Prüfbericht in einer Erklärung einen «neuerlichen Versuch der Verschleierung»: «Man räumt einige Fehler bei der Akten- und Ermittlungsführung ein, erklärt aber zugleich, an den in der Korruptions- beziehungsweise Verfassungsschutzaffäre erhobenen Vorwürfen sei nichts dran.» Hahn hält wie der innenpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Johannes Lichdi, eine weitere Aufklärung im Untersuchungsausschuss für notwendig. «Ich fordere die sofortige Übergabe des Abschlussberichtes an den Untersuchungsausschuss», so Lichdi in einer Mitteilung.

Christian Piwarz, Obmann der CDU-Fraktion Untersuchungsausschuss, erklärte in einer Mitteilung: «Ein weiteres Mal zeigt sich deutlich: Es gibt den angeblichen "Sachsen-Sumpf" nicht. Es handelt sich lediglich um ein "Gespinst" einiger ganz weniger in Verfassungsschutz und Polizei, die offenbar unsauber gearbeitet haben.» Den Hinweisen auf Fehlverhalten Einzelner müsse jetzt zügig und konsequent nachgegangen werden.

dpa st yysn z2 iki
021918 Nov 07

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