Karl Nolle, MdL

Capital 24/2007, Seite 132, 08.11.2007

Landeszank

Die Neuordnung stockt, bevor sie richtig begonnen hat. Ministerpräsidenten, Bankenchefs und Verbandsfunktionäre finden nicht zusammen. Ihr Motto: Jeder gegen Jeden.
 
Was für ein lukratives Intermezzo: Weit mehr als drei Millionen Euro kassiert Alexander Stuhlmann für einen Ein-Jahres-Vertrag als Vorstandschef der Westdeutschen Landesbank (WestLB) LB ) . Der „Mann des Übergangs", wie er sich selbst bezeichnet, leitete früher die HSH-Nordbank. Ende Juli rückte er direkt aus dem Ruhestand auf den Chefsessel in Düsseldorf und ersetzte Thomas Fischer, der über Fehlspekulationen seiner Aktienhändler und eine umstrittene Informationspolitik stolperte.

Viel zu tun hat Stuhlmann, den WestLB-Chefkontrolleur Rolf Gerlach überraschend aus dem Hut zauberte, nach wie vor nicht. NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers hat längst signalisiert, dass über die Zukunft der WestLB ohne den derzeit amtierenden Vorstandsboss entschieden werden soll. Das Szenario scheint zu stehen: Stuhlmann geht im kommenden Frühjahr vorzeitig in den Ruhestand zurück, an seine Stelle soll NRW-Bank-Chef Ulrich Schröder treten.

Unternehmen Landesbanken

Der ehemalige WestLB-Vorstand ist klarer Favorit der Landesregierung. Sie kontrolliert knapp 50 Prozent der einst mächtigsten deutschen Landesbank – und hat keinerlei Interesse, den Bankenplatz Düsseldorf, der vor Kurzem die Beinahepleite der Mittelstandsbank IKB verkraften musste, weiter zu schwächen. Eine von Gerlach im Sommer propagierte Fusion mit der Landesbank Baden-Würtemberg (LBBW), bei der die WestLB nur als Juniorpartner in Frage kommt, ist für Rüttgers derzeit kein Thema. Das Verhältnis zwischen ihm und dem Chefkontrolleur, der im Hauptberuf als Präsident der westfälisch-lippischen Sparkassen amtiert, ist zerrüttet. Der Ministerpräsident fühlt sich hintergangen. Er wirft dem Verbandsfunktionär vor, die WestLB auf Kosten der NRW-Steuerzahler handstreichartig und viel zu billig verscherbeln zu wollen – ein unverzeihlicher Fehler. An der Seite von Gerlach stand dabei Heinrich Haasis. Der Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes (DSGV) war bis 2006 Präsident der baden-württembergischen Sparkassen und liebt jede Fusion, die auch die LBBW weiter stärkt.

Doch Rüttgers grätschte dazwischen. Statt Gerlach, Haasis, I.RBW-Chef Siegfried Jaschinski und Baden-Württembergs Ministerpräsidenten Günther Oettinger einen Triumph zu gönnen, will er das Aktienpaket, das NRW an der WestLB hält, wertvoller machen und meistbietend verkaufen. Wo die größten Chancen liegen, prüft noch bis Mitte November die Investmentbank Citigroup – inklusive einer Kooperation mit der BayernLB, einer Übernahme der IKB oder einem Zusammenschluss mit der Sparkasse Düsseldorf.

Ohne Staatsgarantien sind lukrative Geschäfte viel schwerer

Durch das NRW-Veto kommt die Konsolidierungswelle bei den Landesbanken, die mit der vorläufigen Übernahme der angeschlagenen SachsenLB durch die LBBW im August ein wenig Fahrt aufnahm, schon wieder ins Stocken. Fraglich ist auch, ob Günther Beckstein, der frisch gekürte bayrische Ministerpräsident, sowie Finanzminister und CSU-Chef Erwin Huber einem Zusammenschluss der Bayern LB mit der LBBW zustimmen. Während der bayrische Sparkassenpräsident Siegfried Naser das „für richtig" hält, sind die Vorstände der beiden Institute dagegen: LBBW und Bayern LB haben Geschäftsmodelle, die nicht gut zusammenpassen. Das gilt auch für die Vorstandschefs: Jaschinski und BayernLB-Boss Werner Schmidt können nicht miteinander. Und was ist mit Beckstein und Huber? Das Duo, das gemeinsam Edmund Stoiber beerbte, muss 2008 sowohl Kommunal- wie Landtagswahlen überstehen. Eine umstrittene Fusion, die wenig bringt und gleichzeitig eine Menge Arbeitsplätze kostet, ist das Letzte, was sie brauchen.

Ohne LBBW, Bayern LB oder WestLB ist eine wirkliche Konsolidierung der deutschen Landesbanken allerdings nicht vorstellbar. Die übrigen Institute sind zu klein, um sich zu einer schlagkräftigen Großbank zu formieren, oder haben andere Pläne: Die Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba) probt seit der Übernahme der Frankfurter Sparkasse den Alleingang. Auch die NordLB in Hannover will ihre Unabhängigkeit behalten. Und die Hamburger HSH-Nordbank, von der seit knapp einem Jahr rund 27 Prozent dem US-Finanzinvestor Christopher Flowers gehören, strebt 2008 an die Börse. Die Landesbank Rheinland-Pfalz (LPR) schlüpfte aus Sorge um ihr Rating bereits unter das Dach der LBBW. Und die Saar LB gehört mehrheitlich der Bayern LB.

Dabei suchen die meisten Landesbanken, die bis auf wenige Ausnahmen keine eigenen Filialen mit Kontakten zu Endkunden haben, unverdrossen nach einer besseren Zukunft. Bei einer Bilanzsumme von fast zwei Billionen Euro verdienten sie 2006 nur wenig mehr als drei Milliarden Euro. Das schafft die Deutsche Bank in einem halben Jahr – allein. Auf Druck der EU-Kommission haften die öffentlich-rechtlichen Eigentümer seit Luli 2005 nicht mehr uneingeschränkt. Plötzlich ist die kuschelige Staatsgarantie weg. Sie sorgte für traumhafte Ratingnoten, federte die Risisken ab und stellte eine günstige Refinanzierung sicher. Die Bestnote AAA war nahezu selbstverständlich. Jetzt schaffen viele Institute nur noch ein A oder sind sogar schlechter. Dir Refinanzierung ist teuer und die Möglichkeit versperrt, andere Banken bei der Kreditvergabe einfach auszubooten. Überall dort, wo lohnende Erträge locken, sind die Landesbanken – wenn überhaupt – nur halbherzig präsent: Anleihen, Derivate, strukturierte Finanzierungen, syndizierte Kredite oder die Begleitung von Übernahmen, Börsengängen und Fusionen. Im Vergleich zur privaten Konkurrenz fehlt es oft an Kapital und Know-how.

Nur riskante Geschäfte bieten in der Regel die Chance, ordentlich zu verdienen –und bergen gleichzeitig die Gefahr, kräftig reinzufallen. Spektakulärer Höhepunkt ist der Skandal, den sich die Sachsen LB mit verbrieften US-Hypothekenkrediten leistet, für die es plötzlich keine Käufer mehr gibt. Im August mussten Sparkassen und Landesbanken einen Krisenpool bilden, um mit einer Kreditlinie von 17,3 Mrd Euro für Verbindlichkeiten, die das Institut in den Büchern stehen hat, geradezustehen – mehr als der Freistaat Sachen im Jahreshaushalt einnimmt. Über die tatsächlichen Risiken und notwendigen Abschreibungen schweigt der Vorstand weiter. Capital liegen Bilanzen, Prüfberichte und Firmendokumente über die Praktiken und Finanzkonstruktionen einer Tochtergesellschaft in Dublin vor. Sie wickelte die waghalsigen Geschäfte ab. Mit verdeckt operierenden Briefkastenfirmen, die außerhalb der Bilanz angesiedelt waren, brachten die sächsischen Manager das irische Milliardenrad in Schwung und jonglierten mit Summen, die der kleinen Landesbank bei einem Eigenkapital von gerade einmal 1,5 Milliarden Euro gar nicht erlaubt waren – alles gedeckt durch eine „harte Patronatserklärung" des Vorstands sowie spitzfindige Verträge für die Briefkastenfirmen (siehe „Sächsisches Roulette").

Mit einem neuen Sparkassengesetz stärkt NRW die Macht der WestLB

Noch bis Silvester kann die LBBW prüfen, ob sie die Sachsen LB endgültig übernimmt. Dann steht auch der Kaufpreis fest. Die irischen Schrottinvestments bleiben auf jeden Fall beim Freistaat Sachsen – mit kostspieligen Folgen für die Regierung in Dresden und die Steuerzahler.

Derzeit geht LBBW-Chef Jaschinski davon aus, dass alles nach Plan läuft: Die Sachsen LB wird Teil der LBBW-Familie. Gegenüber WestLB und BayernLB nutzt sie einen großen Vorteil: Mithilfe der hauseigenen BW-Bank, die im Ländle rund 230 Filialen unterhält, hat sie Kontakt zu mehreren Hunderttausend Privatkunden. Das garantiert hohe und stabile Erträge.

Davon träumen auch Beckstein in Bayern und Rüttgers in NRW. Warum soll bei ihren Landesbanken nicht gehen, was in Baden-Württemberg an der Tagesordnung ist? Wie es in NRW künftig funktionieren könnte, offenbart ein „Arbeitsentwurf" für ein neues Sparkassengesetz vom 8. Mai 2007 – und der hat es in sich: Vertrackte juristische Formulierungen offenbaren, dass die West LB wieder in die Rolle einer Zentralbank schlüpfen soll, mit der die NRW-Sparkassen ohne jedes Wahlrecht zusammenarbeiten müssen. Ein Zusammenschluss der West LB mit Sparkassen scheint künftig ebenso möglich wie die Bildung einer mächtigen NRW-Finanzholding inklusive der WestLB, an der sich auch private Investoren beteiligen können. Bei der Verwirklichung der Pläne setzt Rüttgers auf einen engen Vertrauten: Michael Breuer, bislang Europa-Minister, wurde am 22. Oktober zum Präsidenten der rheinischen Sparkassen gewählt. Nach der geplanten Fusion mit den westfälisch-lippischen Sparkassen, die ebenfalls im neuen Gesetz geregelt ist, soll er alleine an der Verbandsspitze stehen – und seinen Widersacher Gerlach auch als Chefkontrolleur der WestLB ersetzen.

In den Planspielen der Landesregierung spielt Gerlach kaum noch eine Rolle. Sie verübelt ihm den Fusionspoker mit der LBBW, fragwürdige Entscheidungen bei der Zockeraffäre der WestLB sowie dubiose Infonnationen, die immer wieder – so der Vorwurf – aus seinem Umfeld in die Öffentlichkeit gelangen. Das aktuellste Beispiel stammt vom 24. Oktober. Mit Bezug auf den Schlussbericht der Wirtschaftsprüfer von KPMG, den diese zwei Tage zuvor an den WestLB-Aufsichtsrat versandt hatten, meldete das „Handelsblatt": „Fall WestLB: Keine Anzeichen für eine Verschwörung". Und weiter: Die „Auswertung der Händler-Tonbänder" habe keine Hinweise auf einen "Anschlag" auf die West LB ergeben.

Genau das vermutet der geschasste Bankchef Fischer – zu Recht, wie der KPMG-Schlussbericht in Wahrheit enthüllt: „Die Auswertung der aufgezeichneten Telefongespräche ... ergibt Hinweise, dass im Zeitraum von September 2006 bis März 2007 an einen Mitarbeiter von Bear Stearns, der ehemals im Handelsbereich der WestLB tätig war, Informationen über Positionen und Strategieinhalte weitergegeben wurden." So war es ein Kinderspiel gegen die WestLB zu wetten. Und zu gewinnen. Von Januar bis Juni 2007 verbuchte sie im Aktienhandel ein Minus von 605 Millionen Euro. Die übrigen Geschäfte liefen aber gut. Rüttgers hofft, dass die Affäre nun wirtschaftlich verkraftet ist – und die West LB ab 2008 wieder mit mehr Kraft als derzeit beim Gerangel der Landesbanken mitspielen kann.
Von Walter Hillebrand, Leo Müller, Ulrich Reitz

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