Süddeutsche Zeitung, 10.12.2007
Finanzrisiko bei Sachsen LB höher als erwartet
Baden-Württemberg verlangt von der Dresdner Regierung für den Kauf der Bank Bürgschaft über 4,3 Milliarden Euro
Dresden - Die Krise der sächsischen Landesbank könnte das Land Sachsen weitaus stärker belasten als bisher bekannt. Eine Expertengruppe, die seit dem Wochenende in Dresden tagt, hat nach Informationen der Süddeutschen Zeitung Finanzrisiken von insgesamt 43 Milliarden Euro bei der Sachsen LB ausgemacht. Für die Deckung dieser Unwägbarkeiten, die größtenteils aus Verpflichtungen im amerikanischen Immobilienmarkt herrühren, verlangt die Baden-Württembergische Landesbank LBBW, die die Sachsen LB gekauft hat, jetzt von Sachsen eine Bürgschaft in Höhe von "über vier Milliarden Euro", wie der SZ aus Finanzkreisen bestätigt wurde. Andernfalls könnte nicht nur der im Sommer unter dramatischen Bedingungen eingefädelte Notverkauf der Sachsen LB an die LBBW im letzten Moment platzen, auch die Regierung von Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) wäre wohl in Gefahr.
Seit Samstag tagt die Expertenrunde im sächsischen Finanzministerium, das gleich gegenüber der Staatskanzlei am Dresdner Elbufer gelegen ist. Bei den Gesprächen, an denen Vertreter des Finanz- und des Wirtschaftsressorts sowie der beiden beteiligten Banken teilnehmen, sollen die konkreten Übernahmemodalitäten für den Verkauf der Sachsen LB zum 31. Dezember 2007 ausgehandelt werden. Doch während im Sommer noch von einem Verkaufspreis in Höhe von 300 bis 900 Millionen Euro für die angeschlagene Sachsenbank die Rede war, stehen nun Risiken in zweistelliger Milliardenhöhe im Vordergrund, welche auch die LBBW nicht bereit ist zu tragen. Offenbar wird die Lage als so ernst betrachtet, dass an diesem Montag auch der Chef der Bankenaufsicht Bafin, Jochen Sanio, zu den Gesprächen hinzugezogen werden soll.
Über verschiedene Zweckgesellschaften hatte die Sachsen LB in großem Stil mit Wertpapieren auf verbriefte Immobilienkredite spekuliert und diese über kurzfristige Kredite refinanziert. Durch die US-Immobilienkrise aber wird die Refinanzierung immer schwieriger. Zudem verlangen die Schuldner ihr Geld zurück. Erst in der vergangenen Woche hatte die Sachsen LB die Fälligstellung von Schuldtiteln für eine Zweckgesellschaft mit Namen Sachsen Funding in Höhe von 2,2 Milliarden Euro um zwei Wochen hinausschieben können - als neuer Stichtag wurde der 19. Dezember ausgemacht. Spätestens bis dahin sollten nach dem Willen der Baden-Württemberger auch alle anderen Risiken erkannt und in einem speziellen, noch zu gründenden Fonds gebündelt werden. Über diese "Super-Zweckgesellschaft", so verlangen die LBBW-Unterhändler, müsse die sächsische Landesregierung "einen Risikoschirm aufspannen": In Form einer Landesbürgschaft.
In der Expertengruppe wurde nun unbestätigten Berichten zufolge ein Risikopotential von 43 Milliarden Euro ausgemacht, das in einer Super-Zweckgesellschaft gebündelt werden könnte. Hierfür verlangt die LBBW eine Landesbürgschaft in Höhe von 4,3 Milliarden Euro, wie der SZ bestätigt wurde. Die Summe macht allein mehr als ein Viertel des sächsischen Landeshaushaltes in Höhe von 15,5 Milliarden Euro aus, schon allein deshalb könnte es Probleme geben. Unklar ist überdies, ob die EU-Kommission eine solche Bürgschaft genehmigen würde.
Von Christiane Kohl