DIE WELT, 12.12.2007
Sachsen droht auf Landesbank sitzen zu bleiben
Baden-Württemberg fordert zusätzliche 500 Millionen - Sanio denkt angeblich an Schließung
FRANKFURT/BERLIN - Vor gut drei Monaten schien es noch so, als hätten alle Beteiligten gewonnen. Mit geschwellter Brust verkündete Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU), dass die Landesbank aus dem Südwesten das marode Schwesterinstitut in Sachsen übernehmen werde. Und der Dresdner Regierungschef Georg Milbradt (CDU) war erleichtert, aus den Querelen um die SachsenLB kaum mehr als ein blaues Auge davon getragen zu haben.
Doch inzwischen ist beiden Seiten das Lachen gründlich vergangen. Die Risiken, die in der Bank schlummern, sind weitaus größer als angenommen. Die Gefahr wächst dass Sachsen auf der Krisenbank sitzen bleibt. Der Präsident der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), Jochen Sanio, droht offenbar bereits mit einer Schließung der Landesbank, wenn sich die Beteiligten nicht bis Sonntag über die Risiken in den gefährdeten außerbilanziellen Engagements einigten. Das berichtet die „FAZ". „Sanio hat gesagt, dann zieht er den Schlüssel", zitierte das Blatt einen Verhandlungsteilnehmer.
Seit Tagen streiten die beiden Banken und ihre Eigentümer darüber, wer welche Risiken tragen soll. Die Gespräche werden von Beteiligten inzwischen als verfahren beschrieben. Sachsens Finanzminister Stanislaw Tillich (CDU) gab einen ernüchternden Zwischenstand durch: Sachsen könne die Forderungen der Schwaben nicht alleine schultern.„ Das ist völlig unmöglich." Die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) verlangt vom Freistaat milliardenschwere Zusagen.
„Es gibt mittlerweile zwei Forderungen aus Stuttgart", sagt
Karl Nolle, Finanzexperte der sächsischen SPD. Einerseits solle Sachsen eine Bürgschaft für riskante Finanzgeschäfte der SachsenLB abgeben. Darüber hinaus müsste das Land dem Institut frisches Kapital zur Verfügung stellen. Dabei sind Summen im Gespräch, die sächsische Landespolitiker schockieren.
Nach Informationen der WELT soll allein die von Stuttgart geforderte Kapitalerhöhung für die SachsenLB mit 500 Mio. Euro zu Buche schlagen. Dazu käme die Bürgschaft von bis zu 4,3 Mrd. Euro, über die bereits seit Anfang der Woche spekuliert wird.
Angesichts der gewaltigen Probleme wird auch der Ton zwischen den Parteien rauer. „Der Freistaat Sachsen soll alle Risiken allein abdecken, Baden-Württemberg will sich nicht daran beteiligten", kritisierte Tillich. Er sehe keinen Beleg dafür, dass die Schwaben nicht selbst einen Teil der Risiken schultern könnten. „Die LBBW hat sich entschieden, den Sachsen zu helfen.
Jetzt ist man davon etwas abgerückt." Hinter den Kulissen wird Ministerpräsident Milbradt noch deutlicher: Er wirft den Schwaben vor, nicht zu ihrem Wort zu stehen, nur weil die Bank im Südwesten inzwischen eigene Probleme bekommen habe. Die LBBW musste kürzlich einräumen, dass die US-Immobilienkrise sie mit mindestens 800 Mio. Euro belasten wird. Bankchef Siegfried Jaschinski lässt immer wieder betonen, Sachsen werde keine hohen Risiken übernehmen.
Die LBBW hat sich im Sommer die Möglichkeit einräumen lassen, notfalls von der Übernahme zurückzutreten. In diesem Falle blieben das Land Sachsen und die Sparkassen der Region auf der maroden Landesbank sitzen. Möglicherweise müssten auch die anderen Landesbanken über ihre Sicherungseinrichtungen der SachsenLB beispringen. Damit beträfen die Probleme des Instituts Steuerzahler und Sparkassen in ganz Deutschland.
In der sächsischen Staatskanzlei hofft man nun, dass direkte Gespräche der beiden Ministerpräsidenten die Verhandlungen wieder in Gang bringen.
jos/svh/UM