Karl Nolle, MdL

DNN/LVZ, 13.12.2007

„Eine tragische Gestalt“

Landesbank-Krise löst Debatte um Milbradt aus
 
Dresden. Der Mann, um den sich alles dreht in diesen Tagen, ist auf Tauchstation. Keine Rede im Parlament, keine Pressestatements, keine Erklärung. Georg Milbradt verhandelt. Der Chef sitzt auf der Regierungsbank, hört der Landtagsdebatte zum Milliardenpoker um die Sachsen LB scheinbar beiläufig zu und schreibt Kurznachrichten mit dem Handy.

Als er aus dem Saal geht, kaum, dass der Fraktionschef der Linken, André Hahn, zu sprechen beginnt, ist die Empörung groß. „Unverschämt“ und „unanständig“ sei das, schimpft die Linke und stellt einen Antrag auf Herbeirufung des Ministerpräsidenten. Doch der CDU-Fraktionschef geht dazwischen. „Der Ministerpräsident verhandelt telefonisch“, sagt Fritz Hähle. Höchstpeinlich wäre es, ihn da jetzt rauszuholen.

Die Nerven in der Landespolitik liegen kurz vor Weihnachten blank – und die Krisenstimmung hat einen handfesten Grund. Würde der Verkauf an die Landesbank Baden-Württemberg scheitern oder nur noch für Milliarden-Bürgschaften zu haben sein, könnte der Freistaat seine finanziellen Spielräume auf viele Jahre völlig verlieren. Der neuverschuldungsfreie Musterknabe Sachsen droht auf die hinteren Ränge abzustürzen.

Damit geht es längst auch um Milbradt selbst. Dessen Schicksal hängt am seidenen Faden, seit er im August selbst seine Zukunft mit dem erfolgreichen Verkauf der Sachsen LB verbunden hat. „Der ist politisch tot“, sagt nicht nur die Opposition, sondern selbst mancher in der Koalition. „Eine tragische Gestalt“, sei Milbradt, finden Parteifreunde. „Er hat sehr große Verdienste, aber jetzt sieht es nicht mehr gut aus.“

Einst galt er als hervorragender Finanzmann, jetzt stelle sich aber heraus, „dass er das auch nicht kann“. Es müsse „wohl noch ein Wunder geschehen“, sollte der Poker um die Landesbank und die Karriere des Regierungschefs sich noch zum Guten wenden. „Der ist kaum noch zu halten“, sagen viele in der CDU – und die miserable Stimmung erinnert fatal an die Zeit des Abgangs von Kurt Biedenkopf 2001/2002.

Die alles entscheidende Runde zwischen den Landesbanken Baden-Württembergs (LBBW) und Sachsens wird am Sonntag erwartet. Dann muss es zu einer Einigung kommen – oder die Bank wird geschlossen. Dass hat der Chef der Bankenaufsicht Bafin, Jochen Sanio bereits angedroht. Finanzminister Stanislaw Tillich geht dennoch davon aus, „dass in den kommenden Tagen eine Lösung mit der LBBW gelingt. „Beide Seiten sind in der Pflicht, sich zu einigen“, sagte Tillich vor dem Landtag. Die milliardenschweren Risiken könne Sachsen aber nicht allein schultern.

Milbradt könnte im günstigsten Fall noch 300 Millionen für die Bank erlösen und den Rest auf Bürgschaften setzen, die vorerst nichts kosten. Doch dass er das Ergebnis politisch durchsteht, wollen im Landtag nur noch wenige glauben. „Ratlos“ sei man eher schon, ob Milbradt selbst einen geordneten Abgang mit Anstand antreten wolle – oder in einem quälenden Prozess zum Gehen gezwungen werden müsse. Vor der Fraktion wurde Milbradt laut angesichts solcher Debatten: Man wolle nur von außen einen Keil in die CDU treiben, soll er dort geschimpft haben. Man sitze doch in einem Boot und drohe gemeinsam unterzugehen.
Dennoch wird munter spekuliert, ob Kultusminister Steffen Flath neuer Regierungschef werden kann, oder „nur“ Partei- und Fraktionschef. Und ob Kanzleramtschef Thomas de Maizière den Dresdner Posten wohl antreten würde, oder gar Minister Tillich, der zurzeit die Verkaufsverhandlungen führen muss. Einig sei man sich ohnehin, heißt es in der CDU, dass man Milbradt zur Landtagswahl 2009 nicht wieder aufstellen kann. Der Zeitpunkt für einen Wechsel wäre daher günstig.

Doch vorerst mahnt CDU-Promi Heinz Eggert salomonisch: „Wer jetzt von politischen Konsequenzen spricht, übersieht die Schrittfolge. Wir müssen erst das Ergebnis am Sonntag abwarten.“ Aber am Montag, so sagt ein Koalitionär, „wird zum Halali geblasen“.
Von SVEN HEITKAMP

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