Karl Nolle, MdL

Welt am Sonntag, Nr. 50. Seite 66, 16.12.2007

Milbradt spielt das Unschuldslamm

Ein Porträt von Sven Heitkamp
 
Die Sächsische Landesbank war stets sein Lieblingskind. Über Jahre beobachtete und kontrollierte Georg Milbradt deren Geschäfte. Nun musste der Ministerpräsident Sachsens das Institut verkaufen. Die politische Verantwortung verweigert er dennoch. Für viele Parteifreunde ist er nicht mehr tragbar. „Er hat toter Käfer gespielt", wirft ihm der Koalitionspartner SPD vor.

DEN RECHTEN UNTERARM aufs Pult gestützt, die Beine locker überkreuzt, ein schelmisches Lächeln aufgesetzt - betont lässig steht Georg Milbradt am Donnerstagmorgen im Dresdner Landtag und erklärt den Abgeordneten die dramatischen Ereignisse der letzten Stunden. Die kriselnde SachsenLB ist endgültig an die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) verkauft, doch das ostdeutsche Musterland musste eine gewaltige Bürgschaft von 2,75 Milliarden Euro übernehmen, „Bitter" sei das Resultat, räumt Sachsens Ministerpräsident ein, doch angesichts der Umstände findet er den Abschluss durchaus „respektabel".

Keine Geste der Demut oder der Entschuldigung entfährt Milbradt dafür, dass die Landesbank nach ihrem Desaster auf den internationalen Kapitalmärkten für einen schmerzlich niedrigen Betrag von 328 Millionen Euro nach Stuttgart abgetreten werden musste.

Der Auftritt ist typisch für den Machtmenschen Milbradt, der trotz der Pleite noch keine Absicht erkennen lässt zurückzutreten. „Durchziehen statt zurückziehen" lautet die Devise jenes knurrigen Mannes, der sich in der eigenen Partei schon zu oft als beratungsresistenter Einzelgänger, als münsterländischer Sturkopf" unbeliebt gemacht hat. Weggefährten verzweifeln an seinen Standpauken und daran, dass er in der Politik immer erst dann diplomatisch reagiert, wenn es schon fast zu spät ist. Dabei wäre es durchaus an ihm, für den dramatischen Notverkauf seines alten Lieblingsprojektes die Verantwortung zu übernehmen: „Milbradt und die SachsenLB sind Synonyme", sagt etwa die Grünen Fraktionschefin Antje Hermenau.

Zum Showdown in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag war Milbradt jedoch erst nach Mitternacht hinzugestoßen. Bis 3.30 Uhr dauerten die Verhandlungen bei der Bankenaufsicht BaFin mit den Bankvorständen, dem BaFin-Chef, dem Bundesbankpräsidenten und dem Sparkassenpräsidenten. Dann lag der Vertrag unterschriftsreif vor. Demnach sollen die heiklen Portfolien der SachsenLB von 17,5 Milliarden Euro in eine neue außerbilanzielle Zweckgesellschaft fließen, für deren mögliche Ausfälle das Land Sachsen mit 2,75 Milliarden bürgt. Damit entfällt die Gewährträgerhaftung des Landes, und weitergehende Verluste soll die LBBW abdecken.

Zuvor war der Milliardenpoker um die Landesbank eskaliert, nachdem immer neue Forderungen aus Baden-Württemberg auftauchten, Am Montag war von einer Bürgschaftshöhe von 4,3 Milliarden Euro und der drohenden Schließung der Bank die Rede - was den Dresdner Finanzminister Stanislaw Tillich am Dienstag dazu veranlasste zu erklären: Eine Summe in dieser Größenordnung zu schultern sei „absolut unmöglich".

Doch eine Pleite der Bank schien in Milbradts Augen ebenso unmöglich. Denn der einstige Finanzminister und die Landesbank sind seit ihrer Gründung 1992 untrennbar miteinander verbunden. Der Wirtschaftsprofessor war es, der die SachsenLB Anfang der 90er-Jahre allein aus dem Boden gestampft hat. Und auch die spätere Neuausrichtung der Landesbank von den heimischen Kunden auf die internationalen Märkte geschah unter seiner Regie. Als Finanzminister von Kurt Biedenkopf hatte er bis zu seinem Rauswurf 2001 direkten Zugriff auf die Bank, und der Einfluss endete auch nicht, als er 2002 Ministerpräsident wurde.

Einige Male war er in der Bank zu Besuch, viele Briefwechsel dokumentieren sein starkes Interesse für die Geschäfte. 2005 hielt Milbradt noch eine Regierungserklärung zu den damaligen Turbulenzen um das Institut und verteidigte vehement das Engagement der irischen Banktochter in den ausländischen Märkten. Er war es auch, der im Februar 2005 persönlich im Landtag das Aus für Bankchef Michael Weiss und dessen Vorstandskollegen Rainer Fuchs verkündete. Ermittler hatten zuvor die Bank durchsucht und Belege dafür gefunden, dass ein aktienrechtliches Dokument gefälscht worden war.

Schon damals erklärte Milbradt, es seien die Spitzenmanager, die die „politische Verantwortung" übernehmen müssten -und tat es damit nicht selbst, Doch Kurt Biedenkopf ließ ihm das Manöver nicht durchgehen. In einem bitterbösen Brief attestierte der Altministerpräsident seinem Nachfolger, für Schäden der Landesbank trage „auch der Ministerpräsident die politische Verantwortung".

Doch auch heute lautet Milbradts Ausflucht ähnlich: Seit sieben Jahren sei er nicht mehr in den Gremien der Bank vertreten, Was zwar die Wahrheit ist, aber nichts über seine Kontakte und Informationen über das zuletzt unverantwortliche Geschäftsgebaren aussagt. Karl Nolle, der sich für den kleinen Koalitionspartner SPD seit Jahren um die Dauerbaustelle Landesbank kümmert, will daher an die Unschuldslegende nicht glauben, „Die Landesbank ist Milbradts Lieblingskind. Er war immer bis in die kleinsten Kleinigkeiten informiert und hat dennoch alle Warnungen und Mahnungen in den Wind geschlagen", sagt Nolle. „Er hat toter Käfer gespielt und weder die Notbremse gezogen noch sich bemüht, größeren Schaden vom Land abzuwenden."

In der Bankennacht von Frankfurt war jedoch auch eine andere Seite Milbradts wieder aufgeblitzt, der Kämpfer, der Stratege, der gewiefte Verhandler, der stärkere Nerven zeigt als sein Gegenüber. Dem Landesetat hat er durch sein eisernes Verhandlungsgeschick und seine Liebe zum Detail einen Berg von Schulden erspart. Allerdings kann er sich damit dennoch kaum als Retter feiern lassen - sein finanzpolitisches Lieblingsprojekt ist mit Pauken und Trompeten untergegangen. Der Scherbenhaufen muss auch für ihn schmerzlicher Anblick sein. Sein Prestigeobjekt liegt in Trümmern.

Und mit der Abwicklung der Landesbank zu einem Stuttgarter Tochterunternehmen dürfte auch das politische Ende des Parteichefs eingeläutet sein. Der einstige Kämmerer, der sich über die Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät Münster und das Dresdner Finanzministerium bis zum Regierungschef hochgearbeitet hat, ist den Parteifreunden kein Garant mehr für einen Wahlerfolg, Zur Landtagswahl 2009 dürfte der Spitzenkandidat der CDU ein anderer sein.

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Sachsens Debakel mit US-Krediten

SPEKULATION
Die SachsenLB hatte außerhalb ihrer Bilanz Zweckgesellschaften mit Sitz in Irland gegründet, die in US-Hypothekenkredite investierten. Damit ließen sich iin der Vergangenheit leicht zusätzliche Gewinne erzielen. Mit Beginn der Hypothekenkrise fielen diese Kredite jedoch zunehmend aus.

ÜBERNAHME
Im August retten die Landesbanken und die Deka Bank das Institut vor der Zahlungsunfähigkeit. Der gesamte Vorstand sowie der sächsische Finanzminister müssen zurücktreten. Schließlich erklärt sich die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) zur Übernahme der SachsenLB bereit.

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Georg Milbradt

62 Jahre, Ministerpräsident von Sachsen

Herkunft: Geboren am 23. Februar1945 in Eslohe.

Ausbildung: Studium der VWL, Jura und Mathematik in Münster, Promotion 1973 am Finanzwissenschaftlichen Institut in Münster

Politische Lager: 1973 Eintritt in die CDU, 1990 sächsischer Finanzminister, seit April 2002 sächsischer Ministerpräsident

Ämter:2003 Mitglied der Herzog-Kommission zur Reform der Sozialsysteme, Aufsichtsratsmandate bei Flughäfen Leipzig, Halle, Dresden sowie Sächsische Landesbank

Verdienste: Profilierte sich während der „Jahrhundertflut" in Sachsen im Jahr 2002 als zupackender Krisenhelfer

Familie: Seit 1975 verheiratet mit Angelika, zwei erwachsene Söhne

Karl Nolle im Webseitentest
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