Karl Nolle, MdL

Berliner Zeitung, 24.12.2007

"Hinter sich das Licht ausschalten, finde ich gut" - Kanzleramtschefs de Maizière über Energiesparen, Mindestlöhne und die CDU-Krise in Sachsen

De Maizière warnt vor öffentlicher Personaldebatte in Sachsen
 
Thomas de Maizière (CDU) hat als Chef des Kanzleramtes gemeinsam mit dem Bundesarbeitsministerium unter Ex-Vizekanzler Franz Müntefering (SPD) zahlreiche Koalitionsrunden zum Thema Mindestlohn vorbereitet. Es bleibe beim vereinbarten Weg zu Mindestlöhnen, sagt de Maizière.

Herr de Maizière, die Kanzlerin fährt über Weihnachten zum Skilaufen in die Alpen. Müssen Sie hier die Stellung halten?

Ja, ich bleibe in Deutschland, allerdings bei meiner Familie in Dresden.

Und wenn eine Krise ausbricht?

Wir haben einen Notdienst, und wenn es schwierig wird, bin ich in zwei Stunden im Kanzleramt. Das Lagezentrum ist über die Feiertage 24 Stunden besetzt, wie an jedem Tag im Jahr. An den beiden Werktagen vor Silvester gibt es hier eine etwas kleinere Arbeitsbesetzung.

Sie arbeiten ja für die Klimakanzlerin. Heißt das, Sie feiern ein ökologisch korrektes Weihnachtsfest ?

Nein. Ich benutze zum Beispiel echte Wachskerzen, keine elektrischen. Ich muss zugeben, dass ich keine ökologische Bilanz der Klimafolgen dieser beiden Beleuchtungsarten eines Weihnachtsbaumes angestellt habe. Wahrscheinlich werden wir auch eine Gans braten, die muss lange im Ofen bleiben. Das verbraucht natürlich mehr Energie als ein Spiegelei.

Und wie klimafreundlich arbeitet das Kanzleramt? Schalten Sie abends ihre Computer richtig aus oder nur auf Stand-By-Betrieb?

Die Computer werden ausgeschaltet, nur die Server bleiben in Betrieb. Das Kanzleramt gewinnt den größten Teil der Energie aus Biodiesel in einem Blockheizkraftwerk. Zusätzlich wandelt eine hauseigene Solaranlage Sonnen- in elektrische Energie um. Die Wärme kommt zudem aus einem Wärmetiefenspeicher. Der hohe Anteil erneuerbarer Energien führt dazu, dass wenig Kohlendioxid ausgestoßen wird. Aber ich möchte dazu noch etwas anderes sagen: Natürlich haben der Staat und jeder Einzelne Vorbildfunktionen beim Klimaschutz. Aber auch hier gilt: Das richtige Maß ist ein guter Ratgeber. Missionarismus führt eher zum Scheitern als zum Erfolg.

Was fällt für Sie unter Missionarismus: Immer das Licht ausschalten, nur noch Erdgasautos fahren.?

Hinter sich das Licht ausschalten, finde ich gut. Das habe ich von meinen Eltern gelernt. Da ging es noch nicht um Klimaschutz, sondern um Sparsamkeit. Und da fällt mir eine meiner Schlüsselerfahrungen ein: Als wir von West-Berlin nach Schwerin umgezogen sind. Als unsere Kinder dort aus dem Kindergarten nach Hause kamen, brachten sie in ihrer Brotdose das Butterbrotpapier ordentlich gefaltet wieder mit. Im Berliner Kindergarten wurde das Papier sofort weggeworfen. Daran kann man eine bestimmte Haltung im Umgang mit Ressourcen erkennen.

Aber wie sieht es nun mit den Erdgasautos im Fuhrpark der Bundesregierung aus?

Da fahren wenige. Das hat ganz praktische Gründe, zum Beispiel, dass die Dichte von Erdgastankstellen zu gering ist. Wichtiger finde ich, dass die Bundesregierung die richtigen Rahmenbedingungen setzt. Zum Beispiel haben wir beschlossen, die Kfz-Steuer nach dem CO-2-Ausstoß zu bemessen, damit sie Lenkungswirkung entfaltet. Und wir fördern die energiesparende Sanierung von Wohnhäusern. So rechnet sich ökologisches Verhalten auch ökonomisch.

Wie steht es mit den Flugreisen der Regierung? Alle Flüge mit dem Flugbereitschaft werden dem Verteidigungsministerium angerechnet. Da besteht für andere Minister gar kein Anreiz, weniger zu fliegen. Warum werden damit nicht die einzelnen Ressorts belastet?

Wir brauchen kein besonderes Anreizsystem, um Flüge zu sparen. Im internationalen Vergleich sind wir, was die Reisen der Politiker angeht, wirklich nicht protzig, sondern streng und pingelig.

Kommen wir zu d e m Thema dieser Tage, dem Mindestlohn.Würden Sie im Nachhinein sagen: Es wäre klüger gewesen, wir hätten uns mit der SPD auf einen allgemeinen Mindestlohn in passabler Höhe verständigt?

Nein. Politik ist immer Entscheidung in einer bestimmten Situation. So war das hier auch. Das Beste wäre gewesen, es hätte schon im Koalitionsvertrag eine klarere Vereinbarung über das ganze Thema gegeben.

Nun ist der Eindruck: Die SPD treibt die Union beim Mindestlohn für einzelne Branchen vor sich her.

Ich fühle mich überhaupt nicht getrieben. Es gibt einen Beschluss der Koalition und einen Zeitplan. Den setzen wir um.

Vier Fünftel der Bundesbürger sagen, dass der Aufschwung nicht bei ihnen ankommt.

Und zwei Drittel der Deutschen sagen, sie gehen zuversichtlich ins neue Jahr. Sie haben allen Grund. Wir haben einen Aufschwung. Die Arbeitslosigkeit ist dramatisch gesunken. Jeder, der neu Arbeit gefunden hat, bei dem ist der Aufschwung angekommen. Richtig ist, dass wir eine für deutsche Verhältnisse hohe Inflationsrate haben. Das hängt mit der Mehrwertsteuererhöhung und gestiegenen Energiepreisen zusammen. Das macht uns natürlich Sorgen. Die Ökonomen sagen aber, dass die Inflationsrate im nächsten Jahr wieder sinken wird. Auch die Energiepreise werden wohl nicht so hoch bleiben. Und durch die Tarifabschlüsse wird die Kaufkraft gesteigert. Alle rechnen damit, dass die Binnennachfrage im kommenden Jahr wieder steigt. Ich möchte auch daran erinnern, dass wir die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung von 6,5 auf 3,3 Prozent zum 1. Januar 2008 senken.

Das Kabinett hat einen Entwurf für die Erbschaftssteuerreform verabschiedet, der in der Koalition mühsam ausgehandelt wurde. Die CSU spricht abwertend von einem Rohling.

Die Bundesregierung hat einen Entwurf vorgelegt, der wohl erwogen ist. Wie bei jedem Gesetz wird darüber im Bundestag diskutiert werden. Aber der Entwurf ist ein überzeugendes Ergebnis der Arbeitsgruppe von Roland Koch und Peer Steinbrück. Das wird seine Wirkung entfalten.

Welchen Spielraum gibt es für Korrekturen?

Es gibt zunächst Rahmenbedingungen, die unveränderbar sind. Erstens: Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zwingt uns dazu, Grund und Boden höher zu bewerten als bisher. Zweitens: Ziel ist eine Regelung, die die Unternehmensnachfolge besser stellt. Drittens: Das Steueraufkommen soll gleich bleiben. Diese Dinge sind nicht leicht miteinander zu vereinbaren. Wer einen Punkt innerhalb des Rahmens verändert, muss wissen, dass anderswo dann die Probleme größer werden. Deshalb bin ich guten Mutes, was unseren Gesetzentwurf angeht. Ich bin sowieso guten Mutes, aber hier besonders.

Sie haben hart mit dem Regierendem Bürgermeister von Berlin Klaus Wowereit über den Hauptstadtvertrag verhandelt. Sind da Verletzungen zurückgeblieben, oder ist alles wieder im Lot?

Gute Verhandlungen sind meistens hart. Jetzt gibt es eine sichere Vereinbarung für die nächsten zehn Jahre. Wir sind zufrieden. Berlin kann zufrieden sein.

Sie waren lange Jahre Minister in Sachsen: Kann die Krise der Landesbank, dort Ministerpräsident Georg Milbradt doch noch den Job kosten?

Dass die Geschichte für die sächsische Landesbank, für das System der Landesbanken und für den Freistaat keine leichte Situation war und ist, kann man nicht bestreiten. Ministerpräsident Georg Milbradt hat gesagt, dass es jetzt folgende Schritte gibt: Erst klären Wirtschaftsprüfer die Verantwortlichkeiten. Dann sieht man weiter. Dem kann ich mich nur anschließen.

Unter sächsischen Christdemokraten heißt es, es sei keine Frage mehr ob Milbradt geht, sondern nur noch wann. Sehen Sie das auch so?

Nein. Vor allem geht es darum, solidarisch und konstruktiv miteinander umzugehen. Natürlich ist die sächsische CDU jetzt in keiner einfachen Lage. Deswegen kommt es auch stark darauf an, wie und in welcher Tonlage man miteinander aus dieser Lage kommt. Öffentliche Personaldebatten sind die schlechteste Lösung.

Als möglicher Nachfolger des Ministerpräsidenten werden auch Sie genannt. Bleiben Sie nach Weihnachten einfach in Dresden?

Erstens: Ich möchte noch viele Weihnachten mit meiner Familie in Dresden verbringen. Zweitens: Ich möchte Chef des Bundeskanzleramts bleiben.

Das Gespräch führten Holger Schmale und Daniela Vates.

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Thomas de Maizière, 53, entstammt einer alten preußischen Hugenottenfamilie. Er ist Cousin des letzten DDR-Ministerpräsidenten Lothar de Maizière. Aufgewachsen in Bonn als Sohn des Generalinspekteurs der Bundeswehr, wirkt er nach der Wende für die CDU zunächst in Schwerin, dann in Dresden. Dort bekleidet er zuletzt das Amt des Innen- ministers. Seit 2005 ist er Chef des Bundeskanzleramts.

Karl Nolle im Webseitentest
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