Karl Nolle, MdL

Agenturen, ddp-lsc, 16:06 Uhr, 21.01.2008

«Völlig schleierhaft» - Ex-Vorstand der «Sachsen LB Europe» kritisiert riskante Auslandsgeschäfte

Kreditausschuss eingeweiht -- Von ddp-Korrespondent Tino Moritz
 
Dresden (ddp-lsc). Für Claus Wilsing war der Fall im Sommer 2005 klar. Die Sachsen LB müsse ihr Dubliner Tochterinstitut verkaufen - andernfalls könne die «Sachsen LB Europe» (SLBE) ihr Auslandsgeschäft nicht ausweiten. 400 bis 500 Millionen Euro wären damals drin gewesen, sagt der langjährige SLBE-Vorstand Wilsing am Montag als Zeuge im Sachsen-LB-Untersuchungsausschuss des Landtags. Allerdings hätten die Anteilseigner - also auch der Freistaat - seinem Wunsch nicht entsprochen. Umso verwunderter sei er gewesen, als nach seinem Ausscheiden zum Jahresende 2005 trotz fehlendem Vertrieb und zu wenig Eigenkapital das kritische Geschäft ausgedehnt wurde. «Ordentlich was reingepackt» hätten seine Nachfolger, findet Wilsing.

Das Ergebnis ist bekannt: Die Geschäfte der «Sachsen LB Europe» führten die Landesbank infolge der US-Immobilienkrise an den finanziellen Abgrund. Ihr Zusammenbruch wurde Ende 2007 nur durch den Notverkauf an die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) verhindert. Sachsen haftet mit 2,75 Milliarden Euro für mögliche Ausfälle der Landesbank.

«Man wollte in zu kurzer Zeit zu viel Geld verdienen», resümiert Wilsing. Er selbst will mit dem Fast-Crash indes nichts zu tun haben: Nachdem sein Versuch, die Anteilseigner der Sachsen LB vom Verkauf der SLBE zu überzeugen, gescheitert war, habe er daraus die Konsequenzen gezogen und sei zum Jahresende 2005 aus dem Unternehmen ausgeschieden und in den Vorstand der Deutschen Äpotheker- und Ärztebank in Düsseldorf gewechselt.

Erst danach hätten sich die Probleme entwickelt, gab der 41-Jährige im Zeugenstand zu Protokoll. Zwar könne man bereits ab 2003 von einer «nennenswerten außerbilanziellen Aktivität» der SLBE sprechen. Allerdings sei zu seiner Zeit ein Großteil der Papiere in europäischen Märkten platziert worden - und nicht auf dem US-Immobilienmarkt. Für Sommer 2005 bezifferte Wilsing das Risiko durch den viel kritisierten Fonds Ormond Quay auf fünf Milliarden Euro. Diese Summe habe er angesichts des damaligen Wertpapierbestandes für «verdaubar» gehalten. Dass Ormond Quay sich schließlich so verheerend entwickelte, dass Sparkassen und Landesbanken im August 2007 eine Kreditlinie in Höhe von 17,3 Milliarden Euro bereitstellen mussten, sei für ihn «völlig schleierhaft».

Wilsing hatte nach eigenen Angaben 1999 das Konzept für die SLBE mitentwickelt. Geplant gewesen sei ein «risikoarmes Kreditersatzgeschäft» - in Dublin deshalb, weil in Irland das Steuer-Umfeld günstig war. Nach seinen Angaben wurde der Kreditausschuss der Sachsen LB in alle größeren Geschäfte der SLBE eingeweiht - mithin auch der frühere Finanzminister Horst Metz (CDU).

Erst auf Nachfrage der Ausschussmitglieder ging der Jurist auf seinen offenbar lukrativen Nebenjob seit 2004 ein. Ursprünglich habe er damals gemeinsam mit Partner Adrian Fitzgibbon aus dem Sachsen-LB-Konzern ausscheiden wollen, sei aber gebeten worden zu bleiben. Offenkundig als Ausgleich dafür räumten ihm die zuständigen Bankgremien die Möglichkeit ein, eine eigene Vermögensverwaltungsfirma AC Capital Partners zu gründen - Startgeld und Provisionen in Millionenhöhe inklusive.

Der Untersuchungsausschuss befasst sich seit zweieinhalb Jahren mit möglichen Verfehlungen der Staatsregierung bei der Aufsicht über die Bank. Derzeit ist eine Erweiterung des Untersuchungsauftrags auf die Vorgänge rund um den Notverkauf der Bank geplant. Darüber wird der Landtag auf Antrag der Opposition noch in dieser Woche befinden.

ddp/tmo/ple
211606 Jan 08

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